Vereinsleben

Willkommen zurück auf Ihrem Impf-Blog! Sie haben ihn sicher vermisst.

Frau Life Science hat ihren zweiten Schuss intus. Damit ist sie in bester Gesellschaft, denn viele ihrer Freunde und Bekannten sowie Familienangehörigen sind inzwischen auch akkreditierte Mitglieder von „Keine 4. Welle e.V.“ , des „Fördervereins offener Schulen“, des „Ich bin selber einfach gerne gesund-Clubs“ und der „Wir lieben chronisch Kranke-Liga“.

Was viele Vereinsmitglieder gemeinsam haben: sie mussten sich um den Termin zur Aufnahme bemühen oder jemanden zum Bemühen bemühen. Von wegen Einladung und Angebot… Da wurde telefoniert, rumgefragt, sich umgehört, am Freitagnachmittag das Handy nicht aus den Augen gelassen, falls die Arztpraxis anrief, weil irgendwer wieder nicht erschienen war, und als es klingelte, sofort gesprungen. Auch eine gewisse Flexibilität bezüglich des Impfstoffs war vonnöten. Und vieles andere mehr.

Tatsächlich kennt Frau Life Science aktuell nur noch genau 0 Personen, die wollen würden, aber noch nicht können. (Es mag allerdings gut sein, dass ihre Steglitz-Zehlendorfer Bubble ihr da etwas vorgaukelt).

Leute, die hätten können, die aber nicht wollten, kennt Frau Life Science natürlich schon. Es gibt da möglicherweise verständliche Gründe. Frau Life Science lernt nie aus. Nur die, die ihr bis jetzt genannt wurden, überzeugen sie persönlich noch nicht so ganz. Menschen, die sie vorbringen, engagieren sich auch meist in in einem ganz anderen Vereinsleben:

Angehörige des Vereins Wagemut e.V.:

Auf einem Schuljahresabschlussgrillen ihrer Schule traf Frau Life Science dieser Tage einen 70-jährigen Herrn, der so wenig zur aktiven Front gehörte wie sie selbst und mit dem sie daher gerne eine Bierbank teilte. Es war ein äußerst geistreicher Zeitgenosse; über vieles konnte man sich bestens unterhalten und Frau Life Science schwört, sie hat das Thema nicht angefangen! Er war es, der sie fragte: „Haben Sie sich spritzen lassen?“

Er selber hatte das nicht und feierlich gab er bekannt: „Ich habe keine Angst.“

Wenn ein aktiver Senior und mehrfacher Großvater in seiner Freizeit gerne Schulveranstaltungen beiwohnt, wo andere Teilnehmer ihre chronisch kranken Säuglinge mitführen, und wo den restlichen Anwesenden die Last des vergangenen Schuljahres sichtbar im Gesicht geschrieben steht und wo sie genau das auch nicht nur einmal zur Sprache bringen, und wenn dieser Senior aufgrund einer Schwerhörigkeit (für die er nichts kann) jegliche Abstandsregel permanent zu unterlaufen gezwungen ist, da fragt sich Frau Life Science natürlich auch: Wovor sollte ER Angst haben? Und sie fragt sich außerdem, warum er diesen Überschuss an Wagemut nicht in ein Date mit der Nadel investieren möchte oder zumindest ab und zu darüber ergebnisoffen nachdenkt.

Club der feinsäuberlich Differenzierenden

Da ist der Verwandte, der sagt: “Ich gehöre nicht zur Risikogruppe, deshalb lasse ich mich nicht impfen“ und „Dass du das machen lässt, verstehe ich schon, denn du hast ja ein krankes Kind.“ Als ob man um kranke Kinder saubere Schutzkreise – noch dazu innerhalb der Verwandtschaft – ziehen könnte in einer aerosolgetragen Pandemie.

Das ist das Eine. Das andere ist: Von der Zugehörigkeit zur illustren Runde der Risikopersonen ist man leider manches Mal nur ein Arztbesuch entfernt. Dieser Verein nimmt Sie jederzeit unbürokratisch und ohne Voranmeldung auf Lebenszeit auf. Das geht manchmal schneller als vollständig geimpft werden.

Leider wahr.

Was sich Frau Life Science natürlich wie viele der LeserInnen wünscht, ist eine hohe Impfquote. Und eine Gesellschaft, in der jeder seine individuelle Impfentscheidung sorgfältig trifft. Ein Nein will abgewogen sein. Aber möglichst nicht auf Grundlage von YouTube. Das wäre schön!


Die Pinnwand im Impfzentrum, gesehen im Juni 2021:

Zahlreiche Menschen mit einem geschätzten Altersdurchschnitt von 81 Jahren bedanken sich in Wort und (Öl)Bild, gestrickt, gehäkelt und gereimt für den reibungslosen Ablauf ihrer persönlichen Immunisierung. Und lassen dabei nicht unerwähnt, dass eben dies für Berlin nicht ganz typisch ist. Den Zeilen entnimmt man tiefe Dankbarkeit und große emotionale Entlastung. Das berührt einen. Frau Life Science kann nur hoffen, dass diese ganz speziellen Zeitdokumente zu gegebener Zeit einem Museum überführt werden.
Eine andere Möglichkeit, seiner Dankbarkeit Ausdruck zu verleihen ist es, den „Gegenwert“ seiner Impfung an geeigneter Stelle zu spenden, evtl. hier oder woanders.

3 Gedanken zu “Vereinsleben

  1. Steglitz-Zehlendorf ist schon ein eigener Kosmos. In anderen Milieus gibt es reihenweise Menschen, die wollen würden, aber noch nicht können oder aber überhaupt nicht können, weil sie keinen Zugang zum Gesundheitssystem haben.

    Gefällt 1 Person

  2. Ich bin „super glücklich“, wenn wir Monatelang zu Hause hockten, damit der Herr „keine Angst“ hat. Das brauchte er ja auch Monatelang nicht, denn wir hockten ja zu Hause … grmpf

    Gefällt 1 Person

Hinterlasse einen Kommentar