Die deutsche Gesellschaft erinnert momentan an eine Grundschulklasse, die mit Buntstiftspitzen oder den mitgebrachten Kuscheltieren so sehr beschäftigt ist, dass sie den zehnmal erteilten Arbeitsauftrag der Lehrerin noch lange nicht verstanden hat. Frau Life Science, was müssen wir jetzt machen? Ach, erst anmalen, dann kleben?
Ich hab jetzt schon geklebt.
Die verpeilte Schulklasse, die sich Gesellschaft nennt, ist noch dabei, sich einen neuen Begriff zu erarbeiten. Bis jetzt hat man erst zwei Buchstaben davon geschafft: N und O.
No wie nochmal auf ne Feier? No wie Nobelrestaurant? No wie Normalität? Oder Nostalgie?
No wie N – o – t – l – a – g – e ? Echt jetzt?
Stimmt denn das? Oder wird das nur so gesagt?
Ruft im Treppenhaus gerade jemand um Hilfe? Hab’s nicht richtig gehört! Wenn er nochmal ruft, geh ich mal gucken. Vielleicht.
Wenn überhaupt etwas erkannt wird dann: Die anderen sind schuld. Die Impfgegner, die Politiker. Die Karnevalisten.
Sie sind es ja auch. Aber wer es sich nicht selbst schöngeredet hat, der werfe den ersten Stein. Wer nicht selbst furchtbar bequem wurde die letzten Wochen, der werfe den ersten Stein. Wer nicht sein Bauchgefühl ignoriert hat, der werfe den ersten Stein. Wer nicht still war, wo Ansprechen nötig gewesen wäre, der werfe den ersten Stein.
In einer Zeit, wo die einen versagen, müssen die anderen mehr tun. Hätten müssen. Müssten jetzt.
Herr Wieler, der die letzten Tage wirklich zu ungekannter Hochform auflief und eine Authentizität, eine emotionale Präsenz und eine sprachliche Deutlichkeit an den Tag gelegt hat, die einen als Zuschauer nicht kalt lassen kann, hätte vielleicht auch mehr tun können. Nämlich mehr etwas anderes. Wenn die Warnungen seines Instituts so lange ignoriert wurden, hätte er nicht früher schon einen anderen Kommunikationskanal wählen können? Streiken, Remonstrieren, mal eine Woche lang keine Zahlen veröffentlichen, weiße Fahnen in den Fenstern des Robert Koch-Instituts aushängen, sich schwarz anziehen oder irgendwas?
Jetzt ist auch noch der Wieler schuld? Ja, so wie wir alle. Jeder und jede hätte mehr tun können.
Rettungsanker Kinderimpfung?
So sicher wie die bald stattfindende Infektion eines jeden Kindes, das nicht im Keller lebt, so verfügbar ist auch die Impfmöglichkeit für eben diese – theoretisch.
Der Impfstoff wird nächste Woche für 5-12-jährige in Europa zugelassen. Zeitnah wird er auch von der Stiko empfohlen werden, schneller als bei der letzten Zulassung. Ist alles längst klar. Überhaupt wird die Plörre vom Lauterbach der hervorragend erforschte mRNA-Impfstoff bereits an Kinder dieser Altersgruppe in Deutschland verimpft, das ist ja nicht verboten. Als Mutter eines herzkranken Kindes weiß man, dass es bei Medikamenten nicht auf Zulassung für alle Altersgruppen ankommt, sondern auf die individuelle Arztentscheidung. Aber jetzt erstmal die Zulassung, dann die Stiko-Empfehlung und die speziellen Kinder-Abfüllungen – ab 20. Dezember sind letztere dann mal da. Wird super klappen vor Weihnachten mit der Impfung. Wenn sie dann noch nötig ist.
Das kaputte Geländer an der Autobahnbrücke wird ersetzt werden, das Bauamt hat die Genehmigung erteilt, die Pläne liegen vor. Auch die Holzlatten und Schrauben sind schon eingetroffen. In drei Wochen beginnen die Arbeiten.
So fühlt sich das an.
Aber Kinder erkranken doch in der Regel nicht schwer.
In der Regel.
Ein Kind mit einer wirklich sehr einschlägigen Vorerkrankung an Frau Life Sciences Schule ist mittlerweile bereits infiziert. Man hat alles getan, um das zu verhindern. Keine Kosten und Mühen gescheut. Aber bei der aktuellen Inzidenz unter Kindern ist alles eben nicht genug. (Wo die Ansteckung erfolgt ist, in der Schule oder anderswo, ist Frau Life Science unklar).
Schulen, die ja unbedingt offen bleiben sollen, sind zu Anstalten verkommen. Frau Life Science hat dabei selber noch Glück: wenn sie zum Dienst kommt, haben die Verhaftungen in die Heimisolation immer schon stattgefunden. Die engeren Kontakte werden dann meist später isoliert. Die noch übrigen Schüler kann sie dann noch bisschen unterrichten. Ohne jede Perspektive, dass der Zustand sich bald bessert.
Vermischtes zum Corona-Wahnsinn:
Frau Life Science kann es einfach nicht fassen…
…wenn beim Kinderarzt die sogenannte Infektsprechstunde ihrem Namen alle Ehre macht: alle symptomatischen Patienten, teils wegen ihres jungen Alters ohne Maske, werden ohne jede Koordination in die Praxis gebeten. Alle rein. Bitte ins Wartezimmer. (Die Fenster kippte Frau Life Science dann selbst. Schließlich arbeitet sie ja stundenweise als Lüfterin Lehrerin an der Schule. Dass vier Tage später dann die Corna-Warn-App rot war, wunderte sie nicht wirklich)
…wenn der jahrzehntelange Hausarzt der eigenen Eltern sich als waschechter Schwurbler herausstellt, der auf seiner Webseite mit einem Selbstporträt hinter der Gasmaske die Maskenpflicht verhöhnt und Bhakdi, Wodarg und Schiffmann zur Lektüre empfiehlt.
…wenn bei einer Tapas-Lieferung mit gewählter Option „kontaktlos“ nach den Türklingeln nicht das bezahlte Essen, sondern ein maskenloser Bote an der Tür steht.
…wenn der eigene Hausarzt nach Stiko boostert (6 Monate) und nicht nach Spahn (5 Monate), egal ob man Lehrerin ist und ein schwerbehindertes Kind hat.
…wenn zwei ältere Herrschaften ohne Maske zehn Minuten im Bankkabuff am Geldautomaten herumtüfteln und dann mit Taschentüchern die Türklinke umfassend wieder heraustreten.
Ja, das ist wohl schon alles sehr bizarr. Aber egal, ob es Grundschülern nun hilft, ob sie es brauchen oder es wollen, sie helfen nun fleißig mit, Impflücke zu schließen, weil es die Alten nicht auf die Rille kriegen. Wäre U12 ausreichend geschützt, müsste man nicht die dünnen Ärmchen der Kids ran. Grmpf.
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