Abenteuer Alltag mit dem Chaos-Syndrom

Kennen Sie jemanden oder sind Sie selbst betroffen? Vom Chaos-Syndrom?

Ob Frau Life Sciences Verpeiltheit noch als neurotypisch anzusehen ist oder schon nicht mehr, kann an dieser Stelle nicht seriös beantwortet werden. Tatsache ist: mit dem zweiten Kind ist es nicht besser geworden.

Mit dieser ihrer Konstitution wird es jedoch nie langweilig. Jeder Tag hat das Potential sich zur Vorlage für ein Roadmovie zu entwickeln, man kommt in Kontakt mit völlig Fremden, lernt Hilfe anzunehmen und trainiert Problemlösen.

Hier ein Best of Chaos-Syndrom:

Platz 4: One way Trip zu REWE

Wenn Frau Life Science mit dem Fahrrad zum nahe gelegenen Supermarkt fährt, anstatt zu laufen, z.B. weil sie Pfandflaschen im Radkorb transportieren möchte, heißt das noch lange nicht, dass sie beim Rausgehen aus dem Laden noch weiß, wie sie hergekommen ist. Sie spaziert nach Hause und denkt sich nix. Erst am übernächsten Tag muss sie – natürlich unter Zeitdruck – feststellen, dass ihr Rad gar nicht zuhause steht.

Gestohlen oder was? Solche Schrecksekunden gehören zum Leben mit Chaos-Syndrom einfach dazu. Frau Life Science findet ihr Zweirad ordnungsgemäß abgeschlossen bei REWE. Jemand hat mit roher Gewalt den Fahrradständer abgetreten, sonst ist alles noch dran und das Zweirad fahrtüchtig. Für die nächste Tour zu REWE.

Platz 3: Beim Impfpass verlieren nicht alleine sein

Bei der Schulanmeldung des Großkindes im Platzregen den Impfpass des Kindes fallen lassen. Nach vielen Tagen kommt ein Anruf einer älteren Nachbarin von schräg gegenüber. Sie hat den Impfpass in einem alten Telefonbuch trocken gelegt und bei der einzigen Telefonnummer angerufen, die drinstand: die vom Kinderarzt. Das tat sie mehrmals täglich bis sie durchkam (das kennt Frau Life Science nur zu gut). Dort hinterließ sie ihre Telefonnummer zwecks Vereinbarung eines Übergabetermins. Es bedanken sich Frau Life Science und die Sprechstundenhilfe vom Kinderarzt, die den Impfstatus des Kindes nicht stundenlang aus amerikanischen Dokumenten rekonstruieren muss.

Einige Wochen später findet Frau Life Science vor ihrem Haus einen weiteren Impfpass, dazu ein Kinder-Untersuchungsheft mit dekorativem Reifenabdruck. Frau Life Science freut sich, dass sie mit ihrer Problematik nicht alleine ist. So wie die Unterlagen aufgefächert auf der Straße liegen, sieht sie als eine, die vom Fach ist, sofort wie der Hergang gewesen sein muss: Da hat jemand das Autodach als Ablage genutzt. Beim ersten Beschleunigen: Wusch.

Weil auch der Kinderarzt der anderen Chaos-Familie nicht rangeht, und Frau Life Science denen tagelanges Suchen ersparen will, hat Frau Life Science als erfahrene Chaospilotin eine andere Idee: die Briefträgerin. Sie erklärt ihr den Fall und nennt den Nachnamen. Wie aus der Pistole geschossen kommt die fragliche Hausnummer aus dem Mund der Postbotin.
Kurz geklingelt und Dokumente eingeworfen, zum Fenster hoch zurückgewunken, Fall gelöst.

Aber Frau Life Science will ja von ihrem Syndrom erzählen, daher:

Platz 2: Der verlorene Gegenstand ist zugleich die einzige Möglichkeit denselben wiederzufinden

Das Handy im Bus liegen lassen. Die Kinderfotos! Natürlich ist man immer im Verzug mit dem Sichern und nein, es ist nichts in der Cloud hinterlegt. Die ganzen Daten und Nummern… Der Datenverlust wiegt schwerer als der Sachschaden, es ist nur Vintage-I-Phone von Recyclinghändler. Aus gutem Grund, Sie ahnen es….

Ein Anruf bei der BVG hilft leider auch nicht weiter. Zumindest nicht sofort. Es wird Tage dauern, bis Frau Life Science erfährt, ob überhaupt und wo am anderen Ende der Stadt sie ihr Gerät gegebenenfalls abholen kann. „Und wenn du dein eigenes Gerät anrufst?“, schlägt die Freundin vor und reicht ihr das Handy. Beim zweiten Versuch geht einer ran: der Busfahrer.

Er ist kaum zu verstehen, spricht holpriges Deutsch. Es sei bald Schichtwechsel, er fährt noch von hier nach dort quer durch die Stadt und zurück und irgendwie schafft Frau Life Science es, mit den beiden Kindern zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein und die Busnummer 5037 , die auf Route M85 verkehrt, am Verkehrsknotenpunkt abzufangen. Der Forschernachwuchs fühlt sich auf der Busjagd wie in einem Hörspiel von den drei Fragezeichen Kids. Nach ein paar Formalitäten gibt der Fahrer das Gerät heraus. Das geschwind ausgestreckte Trinkgeld schüttelt er ab. „Ist doch meine Arbeit!?“

Platz 1: Sonderbares bei den Sonderposten

Während der Forschernachwuchs bei der Frisörin bedient wird, dreht Frau Life Science mit Herzmädchen im Kinderwagen eine Runde durch den nahe gelegenen Sonderposten-Markt. Eigentlich will sie nur paar Kekse holen, denn die Kinder haben Hunger und der Bäcker hat schon zu. Da sieht sie ein Schuhregal das klein genug ist, wenigstens ein paar Kinderschuhe im Treppenhaus aufzunehmen. So etwas sucht sie schon lange. Sie packt das Schuhregal in den unteren Korb des Kinderwagens, aber bis sie an der Kasse ist, hat sie es – abgelenkt durch weitere Sonderposten – schon wieder vergessen.

Die Verkäuferin macht sie aufmerksam und kassiert, nachdem sie schon Wechselgeld für Kekse und so gegeben hat, das Regal auch noch schnell ab. Auf die Beteuerungen, dass Frau Life Science das kleine Regal einfach völlig vergessen hat, folgt ein müdes Nicken. Die Verkäuferin scheint ihr das Ganze nicht zu glauben!

Tja, vormittags noch Relilehrerin, am Nachmittag dann Schuhregale klauen.

Das war bei Weitem nicht alles, was man mit dem Chaos-Syndrom so alles erlebt. Aber zum Chaos-Syndrom gehört auch, dass man nicht alles erzählt…

4 Gedanken zu “Abenteuer Alltag mit dem Chaos-Syndrom

  1. Herrlich zu lesen. Und Platz 1 kann ich noch toppen mit einer ähnlichen Geschichte: Mit Tüten beladen in einen Kinderladen. Dort waren die Kinderkleider furchtbar eng gehängt, also mehrere Bügel in die Hand mit den Tüten genommen, um Raum auf der Stange zu schaffen und mit der anderen Hand die restlichen Kleider durchzusehen. Nichts gefunden und vergessen, dass in der Hand mit den Tüten auch noch Bügel waren. Freundlich grüßend aus dem Laden marschiert und auf dem Gehweg von der Verkäuferin eingeholt worden. Ich hätte sterben können vor Scham. Du bist in bester Gesellschaft. 🙂

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  2. Ich habe mal einen großen (teuren) Karton Waschpulver im Buggy versehentlich rausgeschmuggelt aus der Drogerie. Zuhause fällt es mir siedendheiß ein – ich zurück zur Drogerie – Hallo! Sie! Ich muss noch das Waschmittel hier bezahlen! – der Blick der Kassiererin hat sich für immer in meine Iris eingebrannt. Ich war der Depp des Tages, das war vollkommen indiskutabel offensichtlich.

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