Teilhabe

Ferienbetreuung für die zweiwöchigen Herbstferien im Hort. Der Anspruch auf Betreuung besteht, aber Ansprüche sollte man ansonsten nicht stellen.

Immer am Montag wird das Programm für die angelaufene Woche den Kindern vorgestellt. Da erfahren sie, dass sie zur Sporthalle mitgehen könnten, wenn sie heute einen Turnbeutel dabei hätten. Ok, zugegeben, das war ja schon letztes Mal so, langsam sollte es die Mutter wissen.

Den Programmzettel mit dieser und anderen Informationen findet Frau Life Science am Montagabend im Rucksack ihres Kindes. Der Forschernachwuchs gibt sich wortkarg. Er hat sich bei keiner Aktivität eingetragen – Schlange war zu lange, und haben wir denn einen Kürbis für das Kürbisschnitzen und überhaupt. Er HASST Anstehen, genau wie seine Mutter. Immer, wenn sich irgendwo eine Warteschlange bildet, verliert sie schlagartig das Interesse an der dargebotenen Ressource. Fast wie in der Fabel von dem sauren Trauben.

Dienstag, also morgen, brauchen die Hortkinder, wenn sie mitschnitzen wollen, einen eigenen Kürbis. Frau Life Science rennt direkt in den Edeka. Auf dem dunklen Gehweg trifft sie eine andere kürbiskaufende Mutter einer Mitschülerin. Ihr auch Kürbis? Ja, Kürbis.

Am nächsten Morgen bringt der Forschernachwuchs seinen frisch gekauften Kürbis den Erziehern, in der Hoffnung, dass er für diese Aktivität noch zugelassen wird.

Frau Life Science bemüht sich derweil um Einsicht in die Listen. Ah, hier hängen sie! Eine andere Mutter, ebenfalls eine vorabendliche Kürbiskäuferin, das wird schnell klar, versucht dasselbe. Mit Hilfe eines orangefarbenen, schlecht gespitzten Buntstiftes, den der Forschernachwuchs ungeduldig bewacht, weil er ihn zurückgeben muss und dann schnell spielen will, tragen sie die Namen ihrer Kinder für die nächsten Tage ein. Puh! Es sind noch Plätze frei.

Das kostenlose Schülerticket in Form einer Chipkarte, das Voraussetzung für weitere Aktivitäten ist, hat das Kind kürzlich verloren. Frau Life Science berät sich mit der anderen Mutter, die noch nie ein Schülerticket für ihr Kind besessen hat (sehr praktisch, denn dann kann man es nicht verlieren), ob nicht auch ein Tagesticket ginge, wenn man es bereits entwertet mitbrächte.

Merke dir, Frau Mental Load: vorne am Kiosk 1 Tagesticket (ermäßigt) kaufen und am Morgen des Ausflugs entwerten.

Beim Abholen am Nachmittag verbirgt der Forschernachwuchs seinen Kürbis hinter dem Rücken. Welche Hand willst du? (Es war die Falsche). Auch typisch Kind, die ausgeschitzten Gesichtsteile hat er wieder feinsäuberlich zurückgepuzzelt. Und ist ansonsten sehr stolz auf sein Schnitzwerk.

Es hat geklappt!, denkt Frau Life Science erleichtert.

Am nächsten Tag bringt er einen selbstgeflochtenen Weidenkorb. Auch nicht schlecht!

Die glasierte Keramik vom darauffolgenden Tag wartet noch auf den Brand.

Wer für sein Kind morgens auf Listenjagd geht, das Geld erübrigen kann (21 Euro insgesamt) und passend richtet, wer Fahrkarten bereithält, und auf den letzten Drücker Kürbisse kauft, wird nun beinahe täglich mit Handwerkskunst aus Kinderhand und einem strahlenden Gesicht belohnt.

Viel anderes darf man sich aber nicht mehr für den Tag vornehmen, denn um 12:00 Uhr muss man bereits das Geschwisterchen abholen, weil die Kita hat keine Erzieher hat. (Eine Kita ohne Erzieherinnen ist wie ein Kürbis ohne Licht, wie ein Flechtkorb ohne Boden und wie Keramik mit nem Sprung) Und dazwischen den Ersatz für die Chipkarte beantragen.

Fulltime-Job Kinderbetreuung in der Einrichtung begleiten!

Wenn jemand fragt, wo die Fachkräfte sind: Sie kaufen Kürbisse und sind weiblich.

4 Gedanken zu “Teilhabe

  1. Bodenlos. Vor langer, langer Zeit habe ich viele Jahre lang Ferienbetreuung für Grundschulkinder in unterschiedlichen Kontexten (Jugendzentrum, museumspädagogisches Zentrum …), gemacht. Es war eine Selbstverständlichkeit, dass alle Materialien, die benötigt wurden und auch die Werkzeuge zur Verfügung standen. Klar wurde gelegentlich darum gebeten, dass etwas mitgebracht wurde, was in fast jedem Haushalt da ist (Schachteln zum Burgen bauen, Eierkarton …), aber es war auch genug da, wenn das eine oder andere Kind etwas vergessen hatte …

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  2. Nachtrag: Listen gab es überhaupt nicht für Bastelaktivitäten – nur bei den Weihnachtsbackkursen, weil die Küche nur ein Fassungsvermögen von zehn Kindern hatte und mehrere Backnachmittage stattfanden, damit jede/r Interessierte mal dran kam.

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