Adventsfest ®

Es war wieder Adventsfest an der örtlichen Grundschule. Marktstände im Innenhof, Bastelaktivitäten in den Klassenräumen. Butterkeks-Häuschen, Perlen-Sterne und wenig standfeste Marshmallow-Rentiere. Pappteller, die nach dreimal durchschneiden und übereinanderkleben einen Tannenbaum ergeben. Wer hätte das gedacht? Nur noch etwas Glitzer, dann mit nach Hause nehmen.

Auf den Smartboard-Schultafeln prasseln digitale Kaminfeuer. Die ganze Kiez-Gemeinschaft ist am Start: der örtliche Fahrradhändler, die Schneiders von der Kirche und die polnische Mutter, die letztes Jahr auf der Elterndisko getanzt hat als gäbe es kein Morgen mehr. Hallihallo, Hallöle! Der Kiez ist auch nur ein Dorf. Eins ohne Parkplätze.

Bezahlt wird die von zuhause mitgebrachte Verpflegung mit der schuleigenen Währung, den – wegen Otto Lilienthal – „blaue Lilien“ genannten Plastikchips. Übrig gebliebene Devisen lagert Frau Life Science im Wohnzimmerschrank, denn das nächste Schulfest kommt – immer in 6 Monaten.

Überhaupt ist es jedes Jahr das Gleiche. Das Adventsfest weicht nur wenig vom Sommerfest ab und das Adventsfest vom Adventsfest überhaupt gar nicht. Die Feuerschale ist nicht einen Meter verrückt und auch der Würstchengrill steht am inmergleichen Standort – neben dem Förderverein.

Läuft alles und könnte man als perfekten Ablauf so patentieren lassen. Familie Life Science wird dieses Fest-Protokoll voraussichtlich ganze 11 Jahre lang mitmachen (für beide Kinder je 6 Jahre Grundschule, davon eines als Geschwister gemeinsam). Es ist wie an den gleichen Ort in Urlaub fahren: entlastend für alle Beteiligten. Frau Life Science mag das.

Der Forschernachwuchs spielt stundenlang „Verstecken-Anschlag“ irgendwo hinter dem Schulhaus. Dass er dafür keine Aufsicht mehr braucht: eine Befreiung.

In einem zum Bastelstand umfunktionierten Klassenzimmer schreibt Frau Life Science am Handy, während das Herzmädchen irgendetwas auffädelt. Bis eine Mitarbeiterin auf die Frau Mutter zukommt und sagt, hier sei handyfreie Zone. Da packt Frau Life Science ihr irrtümlich genutztes Endgerät sofort weg, denn „Zonen“ jedwelcher Art stellt sie generell gar nicht in Frage.

Das wäre auch alles ok soweit. Nur ging es dann SO weiter:

Pädagogische Fachkraft, ungefragt:

„Wir Sind hier ohne Handy, weil wir uns ja mit dem KIND beschäftigen“.

Pädagogische Fachkraft, ungefragt:

„Das ist hier so, weil wir eine SCHULE sind und wir legen Wert auf GEMEINSAME Aktivitäten.“

Pädagogische Fachkraft, ungefragt:

„NUR die Lehrkräfte und Erzieher:innen nutzen heute ihr Handy, um ihre Aktivitäten auf dem Fest zu koordinieren.“

Pädagogische Fachkraft, ungefragt:

„Es kommt natürlich darauf an ob es bei IHNEN jetzt sehr dringend ist? Dass Sie etwas Wichtiges absprechen müssten? Dann ginge es natürlich.“

Pädagogische Fachkraft, ungefragt:

„Ansonsten ist das jetzt die Zeit der KINDER.“

Frau Life Science wird schon von den Erzieher:innen auf der eigenen Arbeit immer erzogen, wenn sie z.B. ohne Jacke und Nebengebäude geht. Aus Erzieher:innensicht ist das Tragen von Jacken nämlich ein integrativer Teil der beruflichen Tätigkeit einer Lehrerin. Wegen Vorbildfunktion und so. (Jacken und sowas war eigentlich nie examensrelevant. Aber man lernt ja dazu!)

Aber was sie eigentlich sagen will:

Sie hatte gestern noch den Kuchen gebacken, nach dem Fußball, mit und trotz Herzmädchen, (ok es war eine Backmischung) und ihn des Nachts glasiert, ihm in eine superfit-Kinderschuhschachtel aus dem Keller gepackt, damit der Forschernachwuchs ihn selbst transportieren und vor Ort abgeben konnte solange sie das Herzmädchen versorgte; sie hat frühmorgens dem großen Kind dann durchs Klofenster nachgerufen, weil es den Kuchen vergessen hatte (bzw. es schlicht nicht richtig wusste). Das mitgeschickte Servierbrettchen von der Freundin würde sie nur mit Glück wiedersehen. Dann kam sie – noch mit Dienstrucksack – zur ersten Bastelschichtbetreuung, löste die Babysitterin ab und ging dann mit dem jüngeren Kinde selbst basteln. Erst um 21:00 Uhr würde es heute schlafen, lange bevor der Lifescientist von seiner Dienstreise zurückkommen würde.

Nein, es war NICHT wichtig mit dem Handy, liebe Frau Y, außer man findet es wichtig, dass frau irgendwann zwischen 8:00 Uhr und 18:00 Uhr einmal dem Carearbeits-Wahnsinn entkommt. Und sei es nur zum Schein und nur für Sekunden.

Als sie fertig gebastelt hatten, ging Frau Life Science auf den Plan im Foyer mit den Mitarbeiter:innenbildchen gucken, welchen Arbeitsbereich es künftig besser zu meiden galt und machte direkt ein Foto. Mit ihrem Handy.

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