
Dienstag ist Feiertag für Frau Life Science, denn im Berliner Südwesten ist Rumpelbasar-Tag. Rumpelbasar, das ist , wie der Name schon sagt, ein Basar mit Gerümpel. Frau Life Science hat ja bekanntermaßen eine ausgeprägte Schwäche – wohl eher einen Tick – für Flohmarkt-Etablissements aller Art (hierzulande spricht man ja ausschließlich von „Trödel“).
Flohmarkt. Was daran so toll ist, kann nur verstehen, wer selber vom Trödel-Fieber infiziert ist. Man kann es nicht beschreiben. Es ist einfach faszinierend und inspirierend, wenn Alltagsgegenstände aus verschiedenen Zeiten und Kontexten neu und anders präsentiert werden, wenn sie eine zweite Chance kriegen, wenn man vielleicht ein ganz besonderes Schnäppchen schlagen kann, weil man als einzige den wahren Wert eines Gegenstandes erkennt, oder weil einem genau DIESES Ding genau JETZT gefehlt hat. Es muss doch auch wirklich nicht alles auf dem Müll landen. Auch Gegenstände haben eine Seele.
Dienstagvormittag und Mittwochnachmittag öffnet der Rumpelbasar seine Türen für die Spendenannahme und den Verkauf zugleich. Das Ganze dauert nicht mehr und nicht weniger zwei Stunden. In der kurzen Zeitspanne werden in einem fort Sachen raus- und reingetragen, dass es eine Freude ist: 50er-Jahre Schränkchen, Garderobenständer, Dreiräder. Es ist für jeden etwas dabei.

Das Beste am Rumpelbasar ist: Sämtliche Einnahmen fließen sozialen Projekten in der näheren Umgebung zu. Es sind über hunderttausend Euro im Jahr, liest man auf der Webseite. Für diesen Zweck setzen sich unzählige Freiwillige vorne im Verkauf oder in der Sachspendenannahme ein. Sie verschenken ihre Freizeit, einfach so. Von ihrem Engagement beim Rumpelbasar haben alle etwas: Die Umwelt, die geförderten Projekte und die Menschen, die dort einkaufen: Win-Win-Win.
Zwei Etagen in einem Industriegebäude beherbergen den Rumpelbasar. Im Untergeschoss sind zwei Herren für Bücher, Elektro und Kleinmöbel zuständig, oben verwalten ein paar energische Damen die Abteilung Textil, weitere Kolleginnen zum Teil reiferen Alters sind mit weißen Baumwollhandschuhen (!) in der Geschirr- und Haushaltsabteilung tätig, jüngere Freiwillige übernehmen das Abkassieren der Spielwaren und Kinderkleidung.
Die Preise werden an der jeweiligen Kasse gemacht. Ein wachsamer Blick auf die Ware, oft jahrelange Erfahrung, die Verkaufskräfte wirken souverän. Manchmal gehen sie noch den ein oder anderen Euro runter mit dem Preis oder runden bei mehreren Artikeln den Gesamtbetrag ab. Nur ein bisschen, nie zu viel.
In der Textilabteilung wird Frau Life Science öfter mal verdächtigt, sie könnte etwas unbezahlt mitgehen lassen. Man darf sich nämlich nicht mit der Ware aus der einen Verkaufsfläche in die andere bewegen, nicht mal ein bisschen, obwohl die Abteilungen gar nicht ganz so scharf voneinander getrennt sind. Man muss erst bezahlen und erhält dann einen Aufkleber. (Das Letzte was Frau Life Science einfiele, ist es doch, im Rumpelbasar etwas zu klauen! Aber was soll’s, die Damen meinen es ja gut).
So ein Geschäft wie der Rumpelbasar könnte man als kommerzielles System niemals so erfolgreich betreiben. Dazu braucht es Herz und persönlichen Einsatz. Menschen, die alte Dinge wertschätzen. Die Vasen sorgsam in Zeitungspapier einwickeln, das sauber aufgefaltet in zentimeterhohen Stapeln bereitliegt. Kein externer Berater, kein Qualitätsbeauftragter könnte eine Organisation so effektiv machen, wie es der Rumpelbasar schon ist. Weil jeder Beteiligte sich voll mit der Sache identifiziert.
Liebe zum Detail: Sammelbehälter für lose Teelichter zum Weiterverkauf;
und Kistchen für „Stickarbeiten auch angefangen“.
Migranten, Hyper-Alternative und Normalos gleichermaßen drängen sich zwischen den Verkaufsregalen. Was für ein Mix. Ein freundliches Geschupse und Gedränge. Eine hohe Kunst ist es, bereits ausgesuchte Gegenstände, die man mal eben neben sich abgestellt hat, gegenüber Kaufinteressenten möglichst wenig aggressiv zu verteidigen. „Entschuldigung, das ist meins…“
Alles ist unglaublich gut sortiert und gepflegt. Nicht das geringste Maß an Chaos herrscht hier. Man kann tatsächlich mit konkreten Wünschen in Form einer Liste im Rumpelbasar auftauchen, viele Dinge findet man dort garantiert. Ein richtig gut sortiertes Kaufhaus. Nur Milchaufschäumer sind gerade aus, vielleicht findet Frau Life Science nächste Woche einen.
Gegen halb zwölf läuft einer mit der Glocke durch die Hallen, bimmelimmbimbim. Er ruft aus, dass jetzt Schluss ist. Der Rumpelbasar macht für heute dicht.
Schön war´s. Danke, liebe Freiwillige! Danke, Rumpelbasar! Und bis nächsten Dienstag.



