In Berlin ist Frau Life Science vom Fahrradmuffel zum Fahrradfan geworden. Sie hatte tatsächlich schon Jahre kein eigenes Fahrrad mehr, seit ihr das letzte abhanden gekommen war – ach, fragen Sie nicht – und sie hatte es nicht groß vermisst. Wenn nicht Auto oder Öffentliche, nutzte sie am liebsten ihre eigenen Beine zur Fortbewegung. Vielleicht auch mal Beine mit Inline Skates dran.
Wie bescheuert kann man sein, freiwillig auf so etwas Nützliches wie ein Fahrrad zu verzichten.
Seit sie das erkannt und sich ein stinknormales Fahrrad angeschafft hat, hat sich ihre Stadt verändert. Schreibwerkstatt, Elternabend oder Chorkonzert? Kein Ding, in 20 Minuten ist sie da. Egal, ob es Zehlendorf, Lankwitz oder Lichterfelde ist. Ach, so nah ist alles! Wär man gar nicht draufgekommen, wenn man den Bus gewohnt ist.
Das erinnert Frau Life Science an eine Kommilitonin von früher, die immer fröhlich mit dem Fahrrad zum Seminar kam. Nur manchmal stöhnte sie: „Heute musste ich früher aufstehen, weil ich das Auto genommen habe.“
Das Fahrradfahren hat Frau Life Science auch angefangen, um dem Kind hinterherzukommen. Es strampelt ohne Gangschaltung mit seinem sogenannten Polizeifahrrad (es hat lediglich blaue Farbe) und „liefert“ Sachen aus. Das heißt, er legt irgendetwas in seinen Lenkerkorb: zwei Matchboxautos, einen kleinen Pflasterstein, eine Salbe aus der Apotheke und düst damit herum.
Mit den geringen Durchmesser seiner Rädchen ist er ein guter Qualitätscheck für Berlins Radwege. Ergebnis: die Qualität ist bedenklich. Sie glauben nicht, wie oft Frau Life Science anhalten muss, um Pflastersteinchen, Matchboxauto oder Salbe, die, schwubs, aus dem Fahrradkorb geschleudert werden, wieder einzusammeln.
Die Fahrradwege in Frau Life Sciences Berlin sind mit oder ohne Kind im Schlepptau desolat. Sie führen von Gehweg auf die Straße und zurück – wie genau, wissen nur Insider – sind manchmal farbig markiert und manchmal nicht, sie führen über Stock und Stein, über nicht abgesenkte Bordsteine, über Baumwurzeln und aufgeplatzten Asphalt. Am schlimmsten aber ist das Kohopfsteiheinpflahasteher, auf manchen Straßen, das einen zwingt, verkehrswidrig die Straße zu verlassen und einen saftigen Anschiss von Bürgern auf dem Steig zu kassieren.
Wenn es denn mal einen eigenen Radweg gibt, führt er alle paar hundert Meter direkt durch Bushaltestellen. Rechts das Wartehäuschen, links der Ein- und Ausstieg der Busse, und das Fahrrad mittendurch. Sind ja nicht nur drei Leute, die sich da aufhalten! Und es fahren auch nicht nur zwei Busse am Tag. So ein Fahrrad-Bus-Chaos ist total unpraktisch für alle Beteiligten. Gefährlich auch. Frau Life Science hat selbst lange gebraucht um zu lernen, beim Warten auf den Bus nicht verträumt auf dem stellenweise fast unsichtbaren Radweg herumzustehen.
Aber trotz aller Mängel flutscht es irgendwie mit dem Fahrrad in Berlin. Immerhin hat man eines kaum: Steigung. Das hat was! Regen gab es bisher auch höchst selten und kalt war es ebenfalls nicht – bisher. Das ändert sich ja jetzt.
Aber die Erfahrung, mit der Kraft seines eigenen Körpers voranzukommen, ist schon was. Das gibt einem ein gutes Gefühl. Darauf zu verzichten war eine Dummheit.

Ich bin in Krakau gerne geradelt. Ich hatte nur immer panische Angst davor, in Straßenbahnschienen zu geraten. Deshalb achtete ich immer darauf, einen Helm zu tragen. Hier radele ich kaum noch, um etwas zu erledigen. Die Wege sind auf dem platten Land einfach zu weit 😩!
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Das stimmt, Samybee, es kommt beim Fahrradfahren nicht nur auf die eigene Einstellung an, sondern auch darauf, wo man gerade lebt.
Du kannst dafür in deinem Garten deine eigene Körperkraft einsetzen und was für die Umwelt tun (Bienen und so).
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Bei dem „kleinen“ Steinchen muss man ja Angst haben…..wenn das auf den Fuss geht 😉
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Hallo Andrea!
Vielleicht können wir unterwegs ein Schlagloch damit stopfen, dann sind wir den blöden Stein los… Danke fürs genau Hingucken!
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Da nicht für, bin ja auch Mutter 😂
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