(369) Salz in der Suppe – Oder: Sonntagsprogramm

Der kleine Schatz besucht ja nun einen evangelischen Kindergarten, allein mit seiner religiösen Früherziehung wurde bisher geschlampt. Jetzt kommt’s raus!

Eine ganz normale Kindstaufe wurde aus organisatorisch-praktischen Gründen noch nicht durchgeführt und ihre künftige Verwirklichung scheint nach wie vor schwierig.

In Ermangelung einer Tauf-Feier wurde auch noch keine obligatorische Kinderbibel von den Paten übermittelt. Die einzige Bibelgeschichte, die der Forschernachwuchs wirklich richtig gut kennt, ist die vom verlorenen Sohn, weil das Bilderbuch mit Illustrationen von Kees de Kort zufällig auf dem Bücher-Flohmarkt der deutschen Schule in New York verfügbar war.

Vielleicht reicht es erstmal, allein diese Bibelgeschichte zu kennen. Alles drin.

verlorener sohn
Kees de Kort: Der verlorene Sohn

Am Sonntag mal einen guten, deutschen Familiengottesdienst zu besuchen, das wäre doch jetzt mal was. Vielleicht gehen da nette Familien aus dem Stadtteil hin? Lieder singen und Geschichten hören? Das liebt ja der Herr Sohn. Ob diesen Sonntag zufällig etwas Derartiges angeboten wird?

Man ist nicht umsonst in Berlin, da gibt es alles irgendwo, es ist nur die Frage, wie weit man fahren möchte.

Eine Online-Recherche liefert: Drei Haltestellen weiter stadteinwärts ist heute Familienkirche, um halb zwölf. Bis dahin ist sogar Frau Life Science aus dem Quark gekommen. Der Lifescientist kann dann in der Zeit in Ruhe computern und was kochen.

Im Gemeindehaus der imposanten Kirche drei Bushaltestellen entfernt von zuhause ist die Bude voll. Auf der Bühne stehen bereits als Königin und SoldatInnen verkleidete Kinder, die den Gottesdienst mitgestalten möchten.

Frau Life Science muss nur mal eben ihr Kind zum frischen Wasser führen, es hat nämlich plötzlich „Duuaaast“.  Wo soll man jetzt etwas zu trinken herkriegen? Die Bathrooms liegen in den Räumlichkeiten hinter der heutigen Bühne, das gibt den ersten Auftritt für die beiden Neubürger vor der Lichterfelder Bevölkerung. Am Waschbecken reicht Frau Life Science dem Kind Leitungswasser aus der hohlen Hand. Ausgeschlürft, Durst gestillt, Rückweg und nochmals: Auftritt… Dann  geht´s los:

Wir sind die Klei-nen in den Ge-mein-den,

singt die Bühnengruppe zu Beginn. Das sieht man! Die sind vielleicht klein!

…doch ohne uns geht gar nichts,
ohne uns geht’s schief… .
…Wir sind das Salz in der Suppe der Ge-mein-de….

Wie rührend ist das denn?

Es hat halt schon was. Wenn man in einer fremden Stadt irgendwohin kann, wo es nicht heißt: „Bitte füllen Sie dieses Formular aus“, oder: „Sind Sie bereits Mitglied bei uns?“ und: „Wo kommen Sie her und was wollen Sie hier?“, sondern „Herzlich willkommen!“ Man braucht auch wirklich nicht sofort ein halbstündiges Gespräch. Erstmal einfach dabei sein.

Man sieht gleich: hier herrscht nicht nur jede Menge (zum Teil ehrenamtliches) Engagement, sondern auch geballte Kompetenz. Am blankpolierten Flügel, an den Gitarren, auf der Methodebene. Die Liturgie ist feierlich und kindgerecht. Wo nicht intellektuell, da wird gefühlsmäßig verstanden, worum es hier geht.

Ein Teil des Ablaufs sieht vor, dass man sich kurz mal die Hand reicht. So gerät Frau Life Science in die Hände irgendeines anderen Vaters und unklar bleibt, ob er auf Händchenhalten mit Fremdmüttern wie ihr heute überhaupt Lust hat. Was das wohl für ein Typ sein mag? Computerlinguist, Architekt oder Klinik-Arzt. Oder was man halt so ist, wenn man in diesem Viertel in die Familienkirche geht.

Es sind hier nicht unbedingt die Menschen, die rein äußerlich betrachtet die Botschaft des Evangeliums am allernötigsten hätten. Aber ein bisschen Zuspruch kann ja jeder gebrauchen, ob 4 Jahre alt oder 44.

Wissen Sie eigentlich, was das zugehörige Verb zu „Gottesdienst“ ist?

Hingehen, besuchen? Teilnehmen? Oder absitzen? Schlicht aushalten?

Es ist feiern.

Eine schöne Feier war das, an diesem 3. Sonntag in Berlin. Beschwingt fährt Frau Life Science mit ihrem persönlichen Salz in der Suppe nach Hause – zum Mittagessen.

Der nachmittägliche Aufenthalt in einem säkularen Kinder-Café im benachbarten Stadtteil kostet den Forschernachwuchs 50 Cent pro angefangenen 10 Minuten dort spielen. Auch nicht schlecht dort, aber nicht dasselbe.

 

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Falls Sie sich fragen, wohin Ihre Kirchensteuer fließt: Diesen Sonntag in eine Tasse starken Kaffee, eine Apfelsaftschorle, eine Tulpe und eine winzige Taschenlampe (made in China) für große und kleine Menschen, die sich nicht fürchten sollen. Und in das gute Gefühl, in der fremden Stadt einen Ort gefunden zu haben, wo man mit dem Kind hin kann.