Nachdem Familie Life Science ein halbes Jahr lang allen Berlinern ausschließlich in öffentlichen Räumen begegnet ist, trug es sich zu, dass diese Woche gleich zweimal Kinder aus dem Kindergarten mit Müttern zu Besuch ins Haus kamen. Chapeau!
Zweimal staubsaugen und Zahnpastaspritzer vom Spiegel wischen. Der Forschernachwuchs rastete fast aus vor Freude, sprach 20 Dezibel lauter als sonst, hing am Fenster, hielt schon vormittags Ausschau nach dem Auto vom Nachmittagsbesuch und wollte dann doch alle Spielsachen für sich allein.
Es ist also in sozialer Hinsicht Land in Sicht für Familie Life Science. Trotzdem mangelt es an einer Vertrauensperson, wie folgende Episode zeigt:
Der Heizungsableser soll ins Haus kommen. Man kennt das ja. Nun ist Familie Life Science genau dann im Urlaub. Sorgen Sie bitte dafür, dass wir Zugang zu Ihrer Wohnung durch eine Person Ihres Vertrauens erhalten, heißt es auf der Info-Postkarte.
Da geht es ja schon los: Vertrauensperson.
In die Wohnung ins Obergeschoss ist keine Vertrauensperson – keine Person überhaupt – eingezogen. Der neue Nachbar, der sich einmal im Treppenhaus vorstellte, total sympathisch, und der seit Monaten namentlich auf dem Klingelschild steht, ist nie mehr erschienen. Die Wohnung steht leer, genau wie die Wohnung im direkt angrenzenden Haus, dort allerdings ohne beschriftetem Klingelschild. (Man baut also auf ein bestehendes Gebäude ein weiteres Stockwerk auf, schafft zwei neue Vier-Zimmer-Wohnungen und lässt sie dann langfristig leer stehen, während Journalisten sich über die akute Wohnungsnot täglich die Finger wundtippen. Erklär mal einer Berlin!)
Da bleibt also nur noch Frau K. wie „kurzangebunden“ als potentielle Vertrauensperson. Frau Life Science schiebt die Anfrage bis auf den letzten Tag hinaus. Dann klingelt sie an der Tür der unteren Mieterin. Mit Schlüsselrasseln wird ihr geöffnet, und das obwohl keine Paketankündigung Frau Life Sciences Klingeln hätte berechtigt erscheinen lassen können. Das könnte heute klappen mit dem Vertrauen.
Ob Frau K. auch das Schreiben von der Ablesefirma bekommen hätte – ja, – Ob sie zu dem Termin voraussichtlich da sei – Äh, wahrscheinlich ja, oder ja, doch ja , – Ob sie vielleicht einen Schlüssel zur Life Science-Wohnung an sich nehmen könnte zwecks Verschaffung eines Zugangs zur Wohnung für den Ableser – Gesichtsabsturz.
„Ist das denn nicht zu viel Verantwortung?“, fragt Frau K. in größter Verlegenheit.
Wofür denn bitte Verantwortung? Dass der Lifescientist seine aktuellen Daten mitnimmt, dessen kann man sich sicher sein. Und sonst? Bargeld, Juwelen? Teure Antiquitäten? Da können Sie lange suchen.
„Lieber nicht, Frau K.? Ok, dann nicht, dann lassen wir´s, überhaupt kein Problem.“
(Also Problem schon, aber keins, das man lösen könnte.)
„Es wär mir ganz lieb, wenn nicht“, bricht es aus der erleichterten Frau K. heraus.
Mit einem Kloß im Hals tritt Frau Life Science nach der Begegnung auf die Straße, um weiteren Erledigungen vor dem Urlaub nachzugehen.
Das mit dem Ablese-Termin kann also noch schwierig werden. Aber immerhin hat sich Frau K. bereiterklärt, die Blumen zu gießen, die Frau Life Science aus ihrer Wohnung nehmen und aufs Treppenhauspodest stellen wird. Es ist das Maß an gegenseitigem Vertrauen, das Frau K. eingeht.
