(409) Überschussbeteiligung

Jeden Morgen gegen 9.00 Uhr setzt Frau Life Science ihr Kind in einer Baugrube aus und nimmt es um 15:00 Uhr wieder mit. An das Gelände angegliedert sind Waschräume sowie ein Esszimmer. Eine rudimentäre Bauaufsicht ist vorhanden.

Sommer im Kindergarten. Die Rede ist natürlich vom Sandkasten, der auf berlinerisch „Buddelkasten“ heißt und Dreh- und Angelpunkt  jeder vorschulischen Institution ist.
Da wird der Sand von links nach rechts geschaufelt und wieder zurück, wird in Eimern und Förmchen festgeklopft und umgestürzt. Und wenn die Erzieher den Gartenschlauch auf den Buddelkasten richten und aufdrehen, geht’s erst richtig los. Klamotten aus bis auf die Unterhose und weiter geht das gesellige Matschen.

„Mama! Ich und der Jonas haben heute im Buddelkasten ein gaaaanz tiefes Loch gebuddelt“.

„Toll, Schatz! Das freut mich“.

Sand und Matsch sind ja in Deutschland als eigenständiges Bildungsmedium und Therapeutikum anerkannt, da gibt es keine Diskussionen.  Das vorschulische Kind bildet sich im Sand und mit Sand und mit fast nichts anderem.

LeAnn sagte in New York immer nur streng: „The sand is yukki (eklig). Don´t go there!“ und somit fiel vom öffentlichen Spielplatz schon mal gut ein Drittel weg, wo man sich hätte beschäftigen können. Das mit der fehlenden unmittelbaren Lernerfahrung musste dann der einbestellte Ergotherapeut wieder richten, mit klinisch reiner Therapieknete. Auch in der Daycare vom kleinen Schatzes gab es nur sterilen Indoor-Sand auf entsprechenden Arbeitstischen.

Nun kostet es der Forschernachwuchs aber voll aus in seinem Berliner Buddelkasten. Und bringt ihn in weiten Teilen auch mit nach Hause. Aus den ausgezogenen Turnschuhen rieselt jeden Nachmittag eine kleine Pyramide. Auch in den Socken pappt der Sand, in den Hosentaschen sammelt er sich und in den Haaren fällt er heraus. Überall in der Wohnung knirscht es beim Herumgehen.

Der kleine Bauarbeiter merkt es selber, dass etwas nicht stimmt: „Mama, kannst du mal bitte  im Wohnzimmer, in der Küche und in meinem Zimmer und da, wo das Klo ist staubsaugen? Der Fußboden ist so stachelig!“ Das fragt er Frau Life Science völlig unvermittelt in aller Öffentlichkeit, damit auch ja jeder hört, dass die Staubsaugfrequenz zuhause zu wünschen übrig lässt.

Einmal saugt er sogar selbst Staub, ist aber so detailversessen, dass er eine halbe Stunde hinter der Couch verschwindet bis er vom Saugen müde ist. Die Wohnung auf der anderen Couchseite ist immer noch „stachelig“.

Wussten Sie schon, dass der Rohstoff Sand weltweit inzwischen bedenklich knapp geworden ist? Es gäbe sogar schon eine regelrechte Sand-Mafia, heißt es in den Medien.

Falls irgendjemand noch ganz legal größere Mengen kostbaren Gesteinsmehls benötigt, kommen Sie gerne vorbei und bringen Sie Ihren Staubsauger mit.

 

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Wie war´s im Kindergarten? Sandtastisch!