Unalltag 22

Also das mit den Masken ist jetzt nicht so das Ding.

Nachdem die Bestellung eingegangen war, lagen sie ein paar Tage zuhause, sie mussten ja erst gewaschen werden. Als sie es dann waren, war es nicht mehrmals hintereinander sich selbst glaubwürdig einzureden, man habe seine Maske zuhause vergessen. So fing Frau Life Science einfach echt mal damit an.
Was ist schon dabei? Man geht ja sowieso fast nirgends hin, und wenn doch, zieht man sich das Tuchding über, zum Beispiel beim Betreten eines Supermarkts. Oder heute beim Arztbesuch.
Ja,die Brille beschlägt hier und da, man hat keine Möglichkeit, Mimik einzusetzen. Die Deutlichkeit der Aussprache leidet. Aber es leidet ja zurzeit so einiges. Peinlich ist es  nicht, denn eine Maske zu tragen oder keine zu tragen ist momentan gleich angesehen, kommt drauf an, wen man fragt. Man vergisst auch zum Teil, dass man sie trägt.

Es muss doch irgendwie möglich sein, den Alltag eingeschränkt bald wieder aufzunehmen. Die Arztpraxis jedenfalls hatte heute die Lage im Griff. Freundliche Einladung zum Hände waschen, kein volles Wartezimmer, keine langen Aufenthaltszeit, übertriebener Abstand beim Arztgespräch (Klebeband auf dem Laminat für die Position des Stuhls) und Sprechverbot bei der eigentlichen Untersuchung. Das war alles professionell und gut organisiert. Frau Life Science kennt ja die Ärztin inzwischen und weiß, dass sie sonst nicht an Zwangsstörungen leidet.

In den Berliner Bussen ist die Fahrerkabine jetzt nicht mehr nur mit Flatterband abgesperrt, sondern neuerdings mit einem Plastikaufbau, sodass die Fahrerkabine aussieht wie das Vorzelt eines Wohnmobils.

Es gibt so viele Möglichkeiten, wie man den Alltag ändern kann und schon geändert hat.

Im Innenhof treffen sich jeden Abend Nachbarn zum gemeinsamen Einhalten der Kontaktsperre. Es sind zwei bis drei Elternteile/Familien, die sich mit relativem Abstand zum Quatschen treffen, die Kinder spielen so wie Kinder eben spielen. Das eine oder andere Mal verirren sie sich auch auf das Klettergerüst.
Das ist jetzt infektiologisch nicht die dümmste Idee, sich immer mir den Gleichen zu treffen. Aus sozialpädadogischer, erziehungswissenschaftlicher, anthropologischer, familientherapeutischer und psychiatrischer Sicht muss man sogar dazu raten, einem Mindestmaß an Menschen zu begegnen. Das gilt zumindest dann, wenn an nicht gerade die spirituellen Untiefen seines eignen Daseins ausleuchten oder von der Feuerwehr aus der Wohnung geholt werden will wie Frau K..
Die Bedenken bei den abendlichen Meetings sind rein juristisch-ethisch. Das Problem bei der Sache ist auch, es funktioniert bei den Leuten deshalb, weil dieser Gruppe der ganze Innenhof zu Verfügung steht. Die anderen Kinder sind ja zuhause festgeschnallt. 

Eine Freundin von Frau Life Science war mit ihrer Familie nun fast drei Wochen alleine. Frau, Mann, Kind, zwei Jobs. Sie gibt alles. Sie ist integer, solidarisch, korrekt. Und am Ende. Das Kind auch.

„Wir stehen erst am Anfang“, sagen die Experten.

Im Bus, Abtrennung zum Fahrerbereich

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