Die Waschmaschine von Frau Life Science ein koreanisches Wunderwerk. Wenn die Wäsche fertig ist, piepst sie minutenlang von Franz Schubert „Die Forelle“: In einem Bächlein helle da schoss in froher Eil / Die launische Forelle vorüber wie ein Pfeil. Nur in gepiepst, ohne Text. Kein Witz, zu hören hier.
Das Beste aber an der Maschine ist, sie hat auch eine Klappe für Benutzer mit Wasch-ADHS, der fehlenden Aufmerksamkeit in Haushaltsdingen, unter der so manche Betroffene leiden müssen. Wenn man nach Einschalten der Waschmaschine noch eine einzelne Socke findet oder die Bluse, die man am nächsten Tag braucht, kann man kurz „Stopp“ drücken und eine kleine Klappe oben im Bullauge öffnen, durch die man das Wäschestück nachträglich hineinschleusen kann. Super für Frau Life Science.
Nun ist aber Wasch-ADHS kein isoliertes Phänomen, sondern es betrifft ja den Waschvorgang im Ganzen. Vom 1) Beladen der Waschmaschine bis 2) Befüllen mit Waschmittel und 3) Kalk-Stopp-Tabletten hineinlegen, nicht Spülmaschinentabs, die ganz ähnlich aussehen und eine Zeit lang im gleichen Schrank gelagert waren. Bei 4) Geeignetes Programm wählen sind die gespeicherten 60 Grad vom letzten Mal nicht unbedingt die beste Wahl für BHs. Auch das 5) Vollständige Entleeren und 6) Rechtzeitige Aufhängen erfordert nicht wenig Konzentration, den Schuberts Forelle ertönt ja nur ein einziges Mal und am übernächsten Abend ist es dann auch zu spät für den Wäscheständer.
Die koreanische Firma könnte also noch an mehreren Stellen ihre Technik für Menschen mit eingeschränkter Aufmerksamkeit optimieren. Frau Life Science scheiterte zuletzt bei 1) Beladen der Maschine.
Nicht zum ersten Mal war ein Kleidungsstück im Bullauge verklemmt. Zuletzt war ihr das einmal im Haushalt ihrer Schwester passiert, wo dann wegen dem unzureichend geschlossenem Bullauge Wasser austrat, die Waschmaschine aber so ADHS-unfreundlich konstruiert war, dass man zu Ende waschen musste, ehe die Tür zu öffnen war.
Geputzt war damals schnell, aber dieses Mal hatte es schlimmere Folgen.
Eine Schlafanzughose des Forschernachwuchses hing so ungeschickt in der geschlossenen Tür, bildete durch die Umdrehungen im Schleudergang eine Kordel, und als es in der Küche wild klopfte, half auch kein manuelles Programmende, die Gummimanschette am Bullauge war bereits eingerissen.

Die Waschmaschine ist noch keine zwei Jahre alt und das schlechte Gewissen bei Frau Life Science war entsprechend groß. Andererseits, wo gewaschen wird, da fallen Gummidichtungen zum Opfer. Wer nicht wäscht, bringt auch keine Maschine um.
Frau Life Science recherchierte ein paar Tage und fand heraus, man könne eine solche Dichtung ganz leicht ersetzen, man müsse nur den Deckel der Maschine abnehmen und eine neue Gummimanschette mittels zweier Spannringe befestigen. Sie bestellte das Ersatzteil für 80 Euro.
Wegen Corona dauerte die Lieferung nicht zwei Tage, sondern zwei Wochen. Das alles bescherte Frau Life Science drei abendliche Ausflüge nach Friedenau in den Waschsalon. Es tat so gut, mal rauszukommen. Mit dem Bus fahren, etwas erledigen. Andere Waschende treffen, so schräg die Vögel auch waren. Den paar Unbelehrbare, die nachts vorm dem Späti abhingen – was garantiert kein triftiger Grund zum Draußen sein darstellte – war sie fast dankbar, denn sie konnte im Vorbeigehen sehen, dass die Stadt immer noch lebt. Also, wenn mal wieder Ausgangssperre ist, gehen Sie zum Waschsalon, der hat offen. Geheimtipp.
Als das Ersatzteil endlich eintraf, zerrte Frau Life Science die Waschmaschine unter der Arbeitsplatte hervor, schraubte den Deckel ab, doch Pustekuchen. Von oben her konnte man in keinster Weise die Manschette ersetzen. Frau Life Science sah weitere Reparaturfilme an und erfuhr, sie müsse doch auch den Waschmitteleinfüllbehäter entnehmen und die Bedienungsleiste samt eingebautem Schubert-Radio abschrauben, die legte sie auf die offene Maschine, wo sie keinerlei Stabilität hatte und dauernd an ihren zu kurzen Kabeln herunterfiel. Danach musste Frau Life Science laut Video die ganze Vorderseite der Maschine abnehmen, an der das Bullauge samt ADHS-Klappe noch dranhing und herumschenkte. Bald war die ganze Küche voller Waschmaschine und Waschmaschinenteile. Dann entfernte Frau Life Science die alte Gummimanschette und versuchte die neue aufzuziehen. Daran scheiterte sie. Der Spannring war zu eng und hüpfte ständig von der Manschette.
Als dann auch noch an der Spülmaschine ein Warnzeichen blinkte, Frau Life Science hatte schlicht ihren Abfluss versehentlich mit zugedreht, erkannte der Lifescientist, dass es Frau Life Science über den Kopf wuchs mit dem Reparieren und dass möglicherweise bald nicht nur ein Großgerät defekt sein könnte, sondern zwei oder mehr. Er verfügte, dass entweder eine Fachperson zu bestellen wäre oder künftig er persönlich regelmäßig nach Friedenau führe und auch die Neuanschaffung einer weiteren Waschmaschine schien ihm durchaus denkbar.
Auch Frau Life Science selbst erkannte ihr grandioses Scheitern und ihre Selbstüberschätzung. Und nein, sie wollte auch keinen Wasserschaden riskieren und drei Wochen elektrische Trockner am Laufen haben. Daher setzte sie die Maschine so gut es ging wieder zusammen, schob sie unter die Arbeitsplatte und fand einen Dienstleister, der wenige Tage später eintraf.
„Respekt“, sagte der Mann, als er sah, dass die Manschette bereits restlos entfernt war. „Die meisten geben früher auf“. Dann baute er die Maschine nach dem bekannten Ablauf wieder auseinander und versuchte den Spannring um die Gummimanschette zu ziehen. Er schaffte es auch nicht. Dann merkte er: der Spannring war viel zu eng. Und zwar: Die Feststellschraube war offen, obwohl sie zu sein sollte. Bei einem Spannring ist ZU nämlich OFFEN und OFFEN ist ZU. Das ist fast wie bei Corona.
Neben der funktionierenden Waschmaschine ist es vor allem eins, das Frau Life Science gefreut hat: Die Anerkennung des Fachmanns. Gescheitert ja, aber gut gescheitert.
Wenn Sie mal jemandem eine Freude machen wollen, der etwas nicht geschafft hat, dann sagen Sie ihm einfach, „Du hat es ziemlich gut nicht geschafft.“
Das ist voll schön.