Das pandemische Schwimmbad

Familie Life Science hat ein privatisiertes Freibad vor der Haustür. Es trägt den drolligen Namen „Pfütze“, weil es eine ist.

Wie geht das jetzt mit der Online- Registrierung? Gibt‘s heute noch Plätze? Beim Wannsee-Bad sind alle Zeitfenster schon ausgebucht. Hat die Pfütze vielleicht noch Kapazitäten? Obwohl sie so klein und schnuckelig ist?

Aber sicher doch. Einfach herkommen, heißt es auf der Webseite, wie gewohnt. Man solle lediglich einen Infobogen ausdrucken (!) und ausgefüllt mitbringen.

Pack die Badehose ein und starte den Tintenstrahldrucker. Oh, Patrone leer…? Schwimmbad gestrichen! Es werden im Zweifelsfall an der Kasse wirklich (!) keine Infobögen gereicht. Gerade nochmal gut gegangen mit den halblebigen Patronen.

Die privat ausgedruckten Zettel werden gesammelt und irgendwo aufgehäuft. Stolze 570 Gäste darf das Bad in Pandemiezeit beherbergen (vgl. das ungleich größere Strandbad Wannsee: 800 Menschen am Tag). In der Pfütze 570 Menschen? Am Tag? Pro Zeiteinheit? Keine Angabe. Es scheinen auch keinerlei Massnahmen der Zählung stattzufinden. Man müsste doch irgendwie auswerten, wer das Bad betritt und wer wieder geht. In der Stadtbibliothek gibt es dazu limitierte Henkelkörbe, oder jemand stellt sich mit einem mechanischen Handzähler an den Ein- und Ausgang. Klickediklick, 569, Klickediklick 570, und so weiter.

Wenn Frau Life Science Ihnen was verraten darf: hier wird nicht gezählt, hier wird abkassiert, wer immer kommt. Man hat lange genug auf Umsatz verzichtet. Die Familienkarte wurde auch abgeschafft, 18,50 Euro Eintritt für die Kleinfamilie. Das kann sich auch nicht jeder leisten, aber egal.

Und im Bad? Kein Unterschied zur letzten Saison. Liegestühle dicht an dicht, jeder macht, was er will. Entspannung pur. Eindämmungsverordnung? Wen’s interessiert. Es ist 2019 – ohne Duschen und ohne Schaukel.

Wenn jetzt wirklich jemand eine Infektion melden würde, was dann? Telefonieren sie dann den Zettelstapel durch? Warum nicht gleich das Telefonbuch von Steglitz-Zehlendorf von A bis P? Jens S. aus B. mit blauer Badehose hat Covid-19, er war am 27.6.2030 um 11 Uhr im Familienbecken, oder um 12 Uhr, eventuell aber auch erst am Nachmittag. Und Sie?

Warum gibt Frau Life Science ihre persönlichen Daten her für so ein Gewurschtel? Zur Kontaktnachverfolgung jedenfalls taugt die unspezifische Adressensammlung ohne Zeitangabe sicher nicht.

Dieses Gemache, dieses ganze So-tun-als-ob. Ein Adressenstapel als Feigenblatt, ein wie eh und jeh überfülltes Schwimmbad, aber Hauptsache, keiner schaukelt und keiner duscht. Flatterband lässt grüßen.

Ein bisschen Comfortverlust in der Freizeit ist kein Grund zum Klagen. Das kann man wegstecken. Nicht aber die Beleidigung für den eigenen Verstand. Diese ist unerträglich.

Corona, wir kriegen dich!

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