Es war schon schwer, nach der verschobenen Kaiserschnitt-OP noch einmal den gleichen Ernst an den Tag zu legen und das Gefühl der Unwirklichkeit, das Frau Life Science seit der Diagnose ohnehin begleitet, hatte nur noch zugenommen.
Ob sie aufgeregt sei, fragten viele. War sie nicht. Denn auf ihr Gelingen oder Versagen kam es bei dieser Sache nicht an. Es war kein Staatsexamen, kein erstes Date und keine Führerscheinprüfung. Das einzige, was sie „schaffen“ musste, war es ihren runden Bauch nüchtern und pünktlich in die Klinik zu befördern. Das schien machbar. Ohnehin wurde bei bestehender Herzdiagnose so ein läppischer Kaiserschnitt zur Nebensache. Was sollte da schon schiefgehen? Hatte schließlich schon einmal geklappt. (Damit ist nicht der Vortag gemeint).
Pünktlich zum zweiten Versuch in der Klinik erschienen, wurde der Lifescientist coronabedingt gleich hinausgeschmissen. Aus den Augen, aus dem Sinn. So bekam auch nur Frau Life Science einen (zusätzlichen) Corona-Schnelltest. Der werdende Vater wartete vor den Aufzügen auf seinen neuen Lebensabschnitt.
Auch für Frau Life Science hieß es zunächst einmal Warten, dann folgte weiteres Warten, das schließlich in langfristiges Warten überging.
Gegen 11:20 Uhr realisierte Frau Life Science, dass mit weiterer Wartezeit zu rechnen war, und empfahl dem Lifescientisten, etwas essen zu gehen. Natürlich sicherte sie sich vorher beim Personal der Geburtsstation ab. Er sei nicht hungrig, meldete der werdende Vater. „Ach geh doch schnell“, ermutigte ihn Frau Life Science, „ist ja nicht weit.“ Vielleicht hoffte sie, er würde für sie mitessen.
Kaum hatte sie ihre Wartetätigkeit wieder aufgenommen, da wurde sie auch schon abgeführt. Ihre persönlichen Sachen samt Handy musste sie zurücklassen und ehe sie sich versah, war sie auch schon umgezogen und fand sich im OP wieder, die Betäubung war gesetzt. Es war alles so schnell gegangen. Viel schneller als zum Beispiel gestern.
Frau Life Science ist nicht allzu oft bei Operationen zugegen, aber Kaiserschnitte, so viel kann sie aus eigener Erfahrung sagen, gleichen Versammlungen. Sie ahnen ja nicht, wer dazu alles eingeladen ist: Anästhesisten, Hebammen, Operateure und Leute, die etwas lernen wollen. Der Saal ist voll.
Einzig der Vater fehlte. Die Betäubung wirkte schneller und stärker als erwartet und Frau Life Science ging es gar nicht gut. Es schien sie alles zu erdrücken, die Schultern schmerzten und sie bekam keine Luft. Wie sonst auch oft bei den 147 Untersuchungen in Rückenlage. Aber wegdrehen ging heute nicht, sie war ja festgeschnallt.
Warum schafften sie es denn nicht, den Ehemann hinzuzuholen?
Da behauptete eine Stimme, man könne ihn jetzt nicht mehr anrufen und irgendeine begleitende Hebamme versicherte nachdrücklich, SIE sei jetzt für Frau Life Science da.
Irgendwann kam die erlösende Ansage, der Kindsvater ziehe sich gerade um und würde es rechtzeitig schaffen. Die Atemnot und das Druckgefühl ließen nach. Atemnot übrigens: tolle Sache. Hat man sie gehabt, will man sie immer wieder kriegen.
Wir sollten uns beeilen, wir haben eine relevante XXXX, warnte der Anästhesist. Und überhaupt, der Blutdruck. Frau Life Science wollte sich das relevante Wort eigentlich merken zwecks rekonstruierender Recherche. Aber Pustekuchen. Dich was merken war gestern. Oder nein, gestern auch nicht.
„Freigabe!“, rief die Versammlung.
Die Bewegungen eines operierenden Arztes bei einem Kaiserschnitt gleichen übrigens zum Teil denen auf einer Baustelle. Risse heilen besser als Schnitte, darum wird man als werdende Mutter schon ziemlich durchgeschüttelt.
Zuletzt fiel wie abgesprochen das Tuch, das bisher die Sicht versperrt hatte. Mutter und Vater konnten zusehen, wie ihr Kind aus dem Bauch herausgezogen wurde und sie legten es direkt an Frau Life Sciences Gesicht. Mit allem Geschmier. Bitte denken Se nicht, dass das eklig war. In so einem Moment wollen Sie genau das an sich haben. Ein zartes Stimmchen wurde hörbar. Der Vater durchtrennte die Nabelschnur.12:09 Uhr.
Jemand aus der Versammlung war der Meinung, es handele sich beim gerade Geborenen um einen Jungen. Frau Life Science beunruhigte diese Aussage in keinster Weise. Sie glaubte die Falschaussage sofort und es war ihr egal, denn es war ganz eindeutig ein Kind. Ihres.
Herzlichen Glückwunsch und Tschüss.
Die Familie Life Science trennt sich. Kind biegt links ab zur aufwändigen Untersuchung, Vater geht rechts zum Corona-Test und Mutter wird rückwärts hinausgeschoben in Richtung Aufwachraum.
Erst mal gut zu lesen, dass du körperlich soweit wohlauf bist. Und für alles andere drücke ich weiterhin die Daumen. 🍀
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Ich berichte. Die Texte schleppen den Ereignissen hinterher…
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Herzlichen Glückwunsch zur Geburt des jüngsten Familienmitgliedes. Alles Gute für alle 4. Vielen Dank für die wunderbaren Blogbeiträge und das witzige sehr lesenswerte Buch.
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Ganz herzlichen Dank.
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Herzlichen Glückwunsch und alles Gute für den Neuankömmling und die ganze Familie.
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Danke, liebe Linni!
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Uiuiui, das klingt nicht gerade nach einem Spaziergang… umso herzlicher alles Gute für euch und euren Familienzuwachs!! Lg, Sarah
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