Es hakt bei Frau Life Science. Egal wo, egal was. Deshalb kann sie längst nicht mehr von Alltag sprechen, Unalltag passt auch nicht mehr, Allt-hak trifft’s dann schon eher. Weil eben alles täglich hakt.
Der Computer hat Symptome. Bitte warten. Mehr ist aus dem heute Abend nicht rauszubekommen. Bitte warten. Für technische Maßnahmen, schnell gegoogelt aus Bitte warten-Internetforen, möchte das Gerät dann schon das Admin-Passwort sehen. Als wäre Frau Life Science hier der Admin von irgendwas, was mit ihrem Leben zu tun hat. Und als wüsste sie ihre Passwörter.
Der Lifescientist bietet seinen an, man teilt manches in einer Ehe, so wich Frau Life Science neulich auf das Fahrrad ihres Angetrauten aus ohne sicheren Halt auf den zu weit entfernten Pedalen, oder seine Regenhose, sie kann die notfalls mit einem Ledergürtel am Bauch festzurren, das mag alles noch angehen, der Laptop aber vom Lifescientisten? Nein. Da hat sie Angst.
Ach, die ganze Technik ist symptomatisch! Am Smartphone klemmt mit dem Home Button der wichtigste Knopf. Frau Life Science musste sich einen virtuellen Home Button auf den Bildschirm einstellen, so rät es die „Home Button klemmt“-Ecke im Internet. Der virtuelle Knopf nervt beim Tippen, sie schiebt ihn hin und her und muss ihn dauernd wieder suchen.
Der CD-Player vom Forschernachwuchs, der für die Dauerbeschallung mit „Drei fragezeichenkidskleinerdracheokosnusspipilangstrumpf” unerlässlich ist, fällt krachend auf den Fußboden, als Frau Life Science zu fest am Staubsauger zieht. Jetzt hält der Deckel nicht mehr und nach jeder eingelegten CD muss er mit Tesa zugeklebt werden, um sie abspielen zu können. Bald muss ein neuer her.
Aber bestellte Waren wechseln bei Frau Life Science im Allt-hak auch gerne mal spontan die Reiserichtung und sie muss online zusehen, wie sie nie ankommen. Oder sie warten im Paketshop auf sie, wo sie die gerne abholen würde, wenn sie es nur erfahren würde, ehe die Aufbewahrungsfrist abgelaufen ist.
Kinderbetreuung in der Pandemie… auch da herrscht Allt-hak. Da werden täglich neue Zwänge installiert, um die Omikronwand doch noch schnell zum Einstürzen zu bringen. Mit freundlichen Grüßen von Ihrem Senat.
Bisher war das Kind von/bis in der Vorschule abzugeben, jetzt ist es um. Nur wenige Minuten später ist dann um rum und das war’s dann. Dann wird die Empfangsperson wieder reingegangen sein.
Früher war man Inhaber eines Berliner Kita-Gutscheins, hatte Anspruch auf adäquate Betreuung seines Sprösslings. Jetzt nur noch: wenn/dann. Wenn der Test negativ. Wenn er nicht niest. Wenn der Testzettel unterschrieben ist. Wenn das hastig verschickte Doodle sofort ausgefüllt wird. Wenn Bring- und Holzeit auf die Minute eingehalten wird.
„Andernfalls könnten wir euer Kind nicht betreuen“. Das freundschaftliche DU der Community ist geblieben. Aber der Ton in den Emails ist inzwischen rau. Es herrscht provisorische Ungnade. Und etwas droht zu zerbrechen.
„We never miss a reason to celebrate” hieß es am Tag der offene Tür im Jahre 2019. Seither wurden nicht wenige Anlässe zum Feiern verpasst, aus nachvollziehbaren Gründen. Aber besonders der eine wäre eine zünftige Feier wert: als Community bisher ganz gut durch die Pandemie gekommen zu sein. Etwas Positives, das im Allt-hak kaum gewürdigt wird. Tut schon auch weh.
In der Schule werden es zunehmend weniger Kinder. Sie kommen nicht, weil sie nicht können (krank), nicht dürfen (von Quarantäne betroffen) oder nicht mehr wollen (Aussetzen der Schulpflicht). Es fühlt sich merkwürdig an, dass mit so kleinen Klassen an sich so gut zu arbeiten wäre.
Der Lifescientist und Frau Life Science kämpfen und wundern sich durch ihre Tage. Es spielen sich Szenen ab, die sie sich gegenseitig wie Sketche erzählen, nur das Lachen ist nie heiter. Und die Kinder spinnen auch.
Das ist Allt-hak.
