Noch ein Fest: Kirche

Am Wochenende auf Festen abhängen ist eine der liebsten Freizeitbeschäftigungen von Frau Life Science und Familie. Die Küche bleibt kalt (und vor allem sauber, Lifescientist!) und es ist für Unterhaltung der lieben Kleinen gesorgt. Ein existentieller Punkt.

Eintrittsfeste sind ja hier sehr beliebt, d.h. man stellt sich stundenlang in einer Warteschlange an, um die Berechtigung, auf dem abgesperrten Festgelände konsumieren zu dürfen, käuflich zu erwerben. Da kommt Stimmung auf.

Nicht so bei der Kirche. Hier ist jeder froh, wenn Sie überhaupt kommen. Ja ok, noch froher wäre man, Sie würden auch selbst das Geschirrtuch schwingen, von 13:00 bis 15:00 Uhr oder so, tragen Sie sich bitte in die Liste ein. Aber für ehrenamtliche Spül- und Servierdienste am Wochenende fehlt bei Familie Life Science beim besten Willen einfach die Zeit. Die meisten Menschen erholen sich ja am Wochenende, mit Kindern unter 3 Jahren erholt man sich bestenfalls bei der Erwerbsarbeit – oder gar nicht. An Geschirrspülen für andere Mitmenschen ist jedenfalls nicht zu denken. Leider. Einen schiefen Marmorkuchen mitbringen, mehr ist nicht drin.

Dieser Tage war im Viertel wieder Kirchenfest mit Basar. Ist ja bald Weihnachten. Der Bastelkreis richtet an, was man das ganze Jahr über gestrickt, gehäkelt und laubgesägt hat und verkauft es zu einem Preis, der zum Arbeitsaufwand in kontrastreichem Verhältnis steht. Stricksocken, zum Beispiel. Der Lifescientist trägt sie seither immer frisch von der Wäscheleine (Frau Life Science muss sich vormerken: Stricksocken aufstocken beim nächsten Fest). Dazu gibt es Musik, Essen, Kuchen, Spielplatz, angeleitetes Basteln – und was will man mehr?

Da besucht Frau Life Science doch gerne mal den Gottesdienst vor dem Fest, lange genug ist es her, dass sie mal dort war. Es gibt heute auch Kinderprogramm, heißt es. Letzteres fällt allerdings aus, denn für nur ein Herzmädchen lohnt es sich angeblich nicht. Das Herzmädchen selbst wurde dazu nicht befragt.

Das Kinderprogramm ist dann das Folgende: Gottesdienst rechtzeitig verlassen, ehe die stets qualitativ hochwertige (!) Predigt durch zu viele O-Töne („Mama???!!!“ für die Maria in einem bereitliegenden Bilderbuch und „Papa??!!!!!“  für bärtigen Jesus, der die Kinder segnet in einem anderen Bilderbuch) unterbrochen wird. Das Frau Life Science einfach zu stressig, trotz aller Ermutigungen von nebensitzenden Kirchenbesucherinnen.

Frau Life Science verlässt also den Gottesdienst noch vor dem Segen und wird Zeugin eines schier unglaublichen Vorgangs. Sie selbst kommt ja vom Dorf (evangelisch) und aus einem Elternhaus (pietistisch). Und jetzt ist sie hier, im Speckgürtel Berlins gelandet. Auch Kirche, aber anders.

Und sie muss nun feststellen: Eine beträchtliche Anzahl auf den ersten Blick völlig harmlos wirkender SeniorInnen, teils örtlich bekannte Persönlichkeiten, schwänzt hier mit Feuereifer den Gottesdienst, um Kekse anzurichten und Stricksocken zu drapieren. Geht’s noch?

Haha! Wie Frau Life Science diese Freiheit liebt, dass man hier handeln kann, wie man es für richtig hält – und wie es sie verstört, wenn es auch so getan wird. Sie ist ja so froh, dass ihr keiner krumm nimmt, dass sie kaum zur Kirche kommt, und sie kann es zugleich beim besten Willen nicht fassen, warum die Omas hier arbeiten, während zeitgleich noch Gottesdienst abgehalten wird.

Frau Life Sience ist es, als würde Jesus Christus leibhaftig im weißen Leinengewand um die Ecke kommen und den liebevoll dekorierten Bastelstand eigenhändig umwerfen. Denn, was machen die denn da? Wem sollte dieser Marmeladenverkauf denn dienen, wenn nicht dem HERRN? Was ist das hier, ein völlig unspiritueller Klientierzuchtverein?

Frau Life Science lässt sich nichts anmerken und ist völlig fasziniert davon, dass ihr Gedankengang offenbar niemand der Anwesenden auch nur im Geringsten teilt.

Doch so eng das immer war, Kirche im ländlichen Umfeld in den 90ern, und so wenig Frau Life Science dahin zurück möchte. Aber dass alle Vorbereitungen ruhen bis die Glocken läuten, dass alle Kaffeetassen, Kürbissuppen und Marmeladengläser und alle Geschäftigkeit einmal zweitrangig sind, dass ein Fest im kirchlichen Bereich niemals Selbstzeck ist, sondern immer einen Mittelpunkt hat, das hat schon auch was und es ist – wie soll Frau Life Science es sagen – doch auch von theologischer Schönheit.

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