Was macht der Große?
Der lauscht Hörspielen im Zimmer und baut irgendwas aus Lego. „Der wird auch immer selbstständiger“, denkt der Papa.
Tatsächlich hat der Forschernachwuchs in seinem Zimmer ganz still und sehr selbstständig ein Loch gebohrt. In die Wand seines Zimmers. Als Werkzeuge diente ihm ein Fundstein aus der Frühpandemie, beschriftet mit „Liebe“ sowie ein steinernes Mitbringsel aus dem Schiefegebirge. Immer im Kreis gedreht, immer im Kreis gedreht, und bald war da ein tiefes, kreisrundes Loch von fast 10 cm Durchmesser. Handwerklich sehr sauber gearbeitet – aber wozu?
Ob er sich ins Wohnzimmer durcharbeiten wollte? War es Protest? War es Langeweile? Verrät er nicht. Das einzige, was was er sagt, ist: „Entschuldigung.“ Mehr nicht.

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Was macht die Kleine?
Will sie den rosa Becher? Nein! Lässt sie sich die Haare kämmen? Nein! Akzeptiert sie eine neue Windel? Nein! Will sie am Tisch essen? Nein! Will sie rausgehen? Nein!
Aber vor allem möchte sie eins nicht: Kleidung anziehen. Wer braucht schon Textilien im Februar 2023?
Sie ist halt eine Nudistin, sagt der Lifescientist. Noch häufiger aber nennt er sie „Das Neinhorn.“ Neinhörner sind bei Marc-Uwe Kling auf Bilderbuchseiten lustig. Zum Leben erwacht in den eigenen vier Wänden, noch dazu auf nüchternen Magen und vor der Arbeit, ist es das oft nicht.
Glitzershirt? Nein. Hundepulli? Nein. Libellenrock? Nein. Strumpfhose? Nein. Schuhe, immer nur Schuhe. Schuhe gehen irgendwie.
„Ihre Tochter zieht sich immer sehr selbstständig an, wenn wir rausgehen“, loben die Erzieherinnen beim Abholen. „Und sie zeigt uns jeden Morgen ganz stolz, was sie so trägt.“
Das ist ja interessant.
Manche Kinder scheinen auf den Weg in die Kita oder in die Schule einen tiefgreifenden Wandel durchzumachen sodaß die Eltern sich nur schwer vorstellen können, daß von ihrem Nachwuchs die Rede sein soll. Als Lehrerin erleben Sie das vermutlich auch von der anderen Seite :_)
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Für Erstklässler bin ich nicht so die Spezialistin, aber ich habe das auch schon gehört und ich glaube, es stimmt auch 🙂
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Die Kleine macht so was auch. Einfach so. Etwas passiert im Kopf und dann ist da z.B. ein Loch. Bei der Frage „Warum?“ ist sie dann genauso ratlos wie ich es bin.
Aber wahrscheinlich wurde so das Rad erfunden und das Feier beherrscht. Jemand nahm einen Stein und es kam im das Bedürfnis auf einen anderen Stein zu hämmern. Der eine hämmerte ein Rad aus dem Felsen, die andere schlug Funken und entzündete ein Feuer.
Keiner von beiden ließ sich von Gedanken darüber abhalten, was Mama und Papa dazu sagen, was die Folgen sein könnten, ob es Sinn macht, ob sie nicht besser ihre Hausaufgaben machen müssten oder schlafen sollten.
Es mag jetzt nur ein sehr schön rundes Loch sein, aber mit den Gedanken und Handeln im Gehirnflow wird der Forschernachwuchs vielleicht irgendwann etwas großes finden/erfinden.
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Das hast du schön geschrieben. Danke.
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Respekt an den Forschernachwuchs, so kreisrund kriege ich das ja kaum mit einer Lochkreissäge hin
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