Auf dem morgendlichen Weg zur Schule, beladen mit dem Dienstrucksack, sieht Frau Life Science beim Überqueren einer Kreuzung zu Fuß, wie eine junge Frau zum Bus rennt. Das kennt sie ja nur zu gut. Sie sieht auch, dass das Handy der anderen auf die Straße knallt, während die Eilige ahnungslos weiterrennt. So etwas ist Frau Life Science ebenfalls nicht fremd.
Was verliert sie selbst nicht ihre Schlüssel, das Handy, ihre Dokumente und die der Kinder, und überhaupt. Natürlich merkt sie meistens nix.
Mit viel Stress und auch ein wenig Gesichtsverlust, mit extra Zeit und Energie und dank kooperativer Mitmenschen kriegt sie am Ende immer fast alles wieder. Hat sie nicht auch schon mit dem Handy einer Freundin ihr eigenes anrufen müssen und hat darüber einen Berliner Busfahrer während der Fahrt erreicht? In dessen Gefährt hatte sie ihr Gerät nämlich liegen lassen. „Wo sind Sie jetzt und wo fahren Sie hin…? Lichterfelde Süd? Richtung Hauptbahnhof? Ok, ich schau mal, wo ich Sie eventuell abfangen kann“. Die Geschichte wäre ein eigener Blogartikel wert gewesen. Vom wiedergefundenen Handy aus jedenfalls schreibt sie diesen Blogbeitrag.
Aber zurück zum Handyverlust an der Kreuzung. Es gibt ja doch nur eines, was man als Augenzeuge einer solchen Situation tun kann: losrennen. Und zwar möglichst schneller, als die, die den Bus noch kriegen will, und bücken muss man sich auch noch und das Ding aufheben und danach immer noch schneller sein und die Frau noch rechtzeitig einholen. Möglichst.
Genau das versucht Frau Life Science nun mit allem, was der Körper einer ü-40-Jährigen hergibt, und sie schafft es irgendwie und fängt die andere Frau an der sich schließenden Bustür noch ab und ein tiefer Blick von fremder Frau zu fremder Frau sowie ein inniges „Danke“ kommen zu ihr zurück. „Gern geschehen!“
Als Frau Life Science wieder auf ihren Arbeitsweg einschwenkt, da hört sie, wie eine unbeteiligte Frau ihr, Frau Life Science, nachruft:
„SIE sind ja eine gaaanz taffe Frau!!! Das haben Sie suuuuuper gemacht. Ich wünsche Ihnen noch einen gaaanz tollen Tag!“
Was für ein schönes und liebenswertes Kompliment! Schönen Dank auch!
Aber es ist bemerkenswert, dass so ein spontanes Losrennen ja eigentlich gar keiner Entscheidung bedarf (im Gegensatz zum Erteilen eines Kompliments). Frau Life Science hat sich nicht bewusst entschieden für ihren Sprint. Das geschah einfach. Weil der Mensch so ist. Er will helfen. Das sitzt ganz tief, nicht?
Als Frau Life Sciene vor fast einem Jahr im Rahmen der Schulanmeldung das Impfbuch ihres Kindes im Regen verloren hatte, hat ein Rentnerpaar es gefunden und trocken gelegt, dann mehrere Tage versucht in der Kinderarztpraxis anzurufen (also genau das getan, was Frau Life Science auch immer macht, aber aus anderen Gründen). Der Stempel war nicht mal gut abgerollt, die Telefonnummer kaum zu erkennen, und die beiden Finder hatten ihre liebe Not mit allem. Schließlich schafften sie es, erfolgreich Kontakt aufzunehmen und das vermisste Impfbuch erreichte am Ende Frau Life Science.
Im Nachhinein hat Frau Life Science eigentlich kein schlechtes Gewissen wegen der Umstände, sie sie dem älteren Herrschaften gemacht hatte. Denn als sie Frau Life Science von ihrem Detektiv-Abenteuer mit der Rückführung des Impfbuchs erzählten, sahen sie sehr glücklich aus.
Jemandem aus der Patsche zu helfen macht noch mehr Freude als der Patsche selbst zu entgehen.
In diesem Sinne: lassen Sie doch öfter etwas auf ihrem Weg fallen. Komplimente sowieso, aber auch gerne etwas Wichtiges aus ihrem persönlichen Besitz. Sie dürfen sicher sein: Es wird Ihnen geholfen werden und es wird gern geschehen.