Sie hatten in dieser einen Ferienanlage gebucht, die alle irgendwie kennen, und wo anscheinend alle bundesdeutschen Eltern schon mal waren, die versucht haben, mit ihren Kindern so etwas ähnliches wie Urlaub zu machen. Es gibt dort so viel Standardpapphäuschen am Hang, wie es DIN-genormte Familien in Deutschland und Umgebung gibt. Alle alle finden hier einen Platz und eine gute Sicht auf den See.

Letztere war jedoch erkauft durch mehrmals täglichen Auf- und Abstieg auf den unzähligen gewundenen Treppenstufen des gewaltigen Hangs. Denn oben schläft man im Papphäuschen, unten vergnügt man sich nach Kräften an entsprechenden Stationen. Alleine sind die Treppenstufen dazwischen durchaus machbar, mit Kleinkind mehr als strapaziös.

Gummibärchen konnten einiges ausrichten, aber da solche bereits auf dem Abend-Buffet manchmal völlig unlimitiert auslagen, noch dazu Smarties, zog das auch nicht immer.

Was bei den Kindern zog, war Wasser. Kaum hatten sie das angeschlossene DIN-genormte Spaßbad betreten, traf Frau Life Science einen ihrer Schüler mit seinen Eltern. „Guten Tag, Frau Lehrerin!“ Die Meyermühlers! Von Berlin, einmal quer durch Deutschland und dann direkt ins Spaßbad, wie naheliegend.

Den Meyermühlers waren zwar nicht großflächig tätowiert wie sämtliche anderen Gäste der Badeanstalt, aber ins Gesicht geschrieben stand ihnen das pure Urlaubsglück. Familie Life Science konnte da nicht mithalten. Sie war nun den Hang heruntergekraxelt, seit Stunden an den Blumenrabatten entlanggestolpert, hatten den zehnten Streit der Kinder abgewürgt, sie sich gegenseitig und alles andere auf der Anlage gesucht und sich im Labyrinth der Umkleidekabinen verirrt. Entsprechend derangiert sahen sie nun aus. Sie hatten ein splitternacktes, aber dafür eigentlich schon zu großes Kleinkind am Arm und dazu einen aufgedrehten Erstklässler im Schlepptau. Jetzt erstmal beruflichen Smalltalk mit drohendem Gesichtsverlust. Dass Frau Life Science überhaupt noch etwas halbwegs Seriöses anhatte, war nur Glück.

Nach dem Baden steuerten direkt das Abendbuffet an. Halbwegs angekleidet und mitsamt den nassen Handtüchern und dem aufblasbaren Gedöns. Wegen dem Steilhang musste eben alles gut durchgeplant sein.

Während die Eltern rund um das Buffet aufwischten, schlichteten, anboten und empfahlen, während sie diskutierten und stöhnten, versuchten sie auch selbst ein klein wenig zu essen. Bis die Angestellte kam und irgendetwas von Zeitslots sagte, die es einzuhalten galt. Heute sei es nicht so schlimm dass sie zu spät waren, aber morgen würde es voll werden, weil noch mehr DIN-genormte Tatoo-Familien anreisen würden. Alles klar! Time Slot-Hinweise zum Essen im Urlaub! Wer möchte die nicht gerne beherzigen? Frau Life Sciences Gesicht war erstarrt. Sie konnte nicht einmal mehr meckern.

Beim Frühstück am nächsten Morgen gab es zwar keine Time Slots, aber auch keine Ruhe. „Können wir jetzt endlich Billard??“, quengelte der Erstklässler und gierte auf den Teller von Frau Life Science, ob er denn endlich leer würde. Es dauerte nicht lange und der Billiard-Groschen, mit dem der Forschernachwuchs in freudiger Erwartung herumhantierte, plumpste in Frau Life Sciences Kaffee. Prost!

So ging es den ganzen Tag. Der Lifescientist – und auch das ist anscheinend Teil der bundesdeutschen DIN-Normung – zumindest ließ dies eines der fortan täglichen Gespräche mit Meyermühlers zu – hatte sich Arbeit in die Ferienanlage mitgenommen. Notgedrungen. Somit konnte sich der Lifescientist abends gar nicht von seinen Urlaubstagen erholen, obwohl es nötig gewesen wäre.

Was soll man sagen: Urlaub mit Kindern. Urlaub mit Lifescientisten. Das muss so! Frau Life Science glaubt nicht, dass sie das letzte Mal am Steilhang waren. Eher glaubt sie, dass es beim nächsten und Mal doch noch irgendwie Spaß machen könnte.