(386) Simplify your life? – Oder: Von Kisten und Kartons

Das materielle Leben von vor der USA-Zeit – also alles, was im Jahr 2015 nicht in fünf Koffer und drei Versandkisten gepasst hatte, ist noch lange nicht aufgearbeitet. Das wird noch länger dauern.

Anfang 2019 startete ein hektisch befülltes Umzugsfahrzeug am Hause der Schwiegermutter, wo ca. fünfzig Prozent des ehelichen Haushaltes für drei Jahre eingelagert gewesen war. Die restlichen Sachen und insgesamt eher kleinere Teile waren im Elternhaus der Frau Life Science gebunkert. Nur das „Wichtigste“ aus dieser Hälfte des Lagers konnte zwischen den Jahren rechtzeitig zur Schwiegermutter transportiert werden, zumal der Lifescientist krank darniederlag oder, sobald genesen, zur Dienstreise entschwand.

Eine solide Planung sieht sowieso anders aus. Aber planen Sie mal einen Umzug aus der Ferne mit Sachen, die Sie seit drei Jahren nicht mehr gesehen haben. Sie vergessen alles, was Sie je besessen haben.

Hätte man Frau Life Science in New York beispielsweise gefragt, ob sie einen Karton von diesen und jenen Ausmaßen mit einer Beschriftung „Blumenvasen“ ihr eigen nennt, hätte sie entschieden mit „Nein“ geantwortet.

Pustekuchen! So eine Kiste gibt es! Neben vielen anderen unsäglichen Dingen.

Das nun noch verbleibende Lebenschaos aus der Einlagerung, Dinge am falschen Ort oder auch einfach generell überflüssig, gliedert sich in vier Bereiche:

1. Haushaltsgegenstände, nicht notwendig, nur „nice to have“
Racletteofen, Fondue-Topf, Eiswürfelcrusher, eben genannte Blumenvasen. Das schöne altmodische Geschirr von der verstorbenen Patentante. X Tortenplatten. Und noch vieles mehr. Aber wenigstens das Crêpe-Eisen ist weg. Wer zum Teufel braucht eigentlich ein Crêpe-Eisen? Ansichtssache! Die Schwägerin löst es mit einem gleichwertigen Amazon-Gutschein aus, da es in den drei Jahren Gastaufenthalt in ihrem Haushalt unentbehrlich geworden sei. Frau Life Science sagt: „Danke, Schwägerin! Einen größeren Gefallen hättest du uns – auch ohne Gutschein – nicht machen können.“

2. Kunstobjekte
Es gab eine Zeit, da experimentierte Frau Life Science voller Begeisterung und wenig Ahnung mit verschiedenen künstlerischen oder kunsthandwerklichen Techniken, und da fiel so einiges an Objekten an.
Was tun mit einer halbfertigen geflochtenen Obstschale aus Elektrokabeln? Oder ist sie gar nicht halbfertig, sondern völlig ok so?
Wird Frau Life Science jemals ein Haus haben, wo sie mit den fragwürdigen Metallskulpturen eine verwunschenen Garten dekorieren kann? Will sie das überhaupt?
Wird es jemals eine Neuauflage von der Kunst in der Streichholzschachtel geben, die Frau Life Science glaubt, erfunden zu haben? Wenn ja, dann sollte sie das ganze Zubehör aufbewahren.
Was tun mit der großformatigen zweiteiligen Leinwand aus Strumpfhosen und Aquarellfarbe? Wird Frau Life Science je Zeit haben, dass nochmals ein bisschen zu überarbeiten und wenn ja, wird ihr das gelingen?
Soll Sie das vorsichtshalber alles aufbewahren?
Fragen über Fragen. Die Antwort lautet: „Eher nein“.

3. Unterrichtsmaterial
Frau Life Science kann Ihnen sagen, Unterrichtsmaterial aus drei Fächern, im „falschen“ Bundesland und sowieso von vor jeder Reform, das macht einen fertig! Und jedes Jahr wird das Zeug älter.
Noch im REF verschenkte ein Kollege kistenweise nicht mehr benötigte Unterrichtsmaterialien auf dem höchsten fachlichen Niveau. Man nahm es dankbar an. Liebevoll laminierte Kärtchen, korrekt sortiert in fein säuberlich beschrifteten Mon-Cherie-Schachteln. Der Kollege hatte die Sachen los. Frau Life Science hat sie immer noch.

Aber sie trifft eine revolutionäre Entscheidung: sie wird zwar wieder unterrichten, aber sicher nicht so. Wenn sie ehrlich ist! Alle Mon-Cherie-Schachteln leert sie aus, in Abwesenheit jedes Schuldgefühls. Schöpfungs-Lernzirkel zu Prozentrechnen-Puzzle, ein heilloses Durcheinander. Und die ganze Arbeit, die das mal gemacht hat. Aber die einzige Gewissensfrage, die sich Frau Life Science stellt, ist, wohin man korrekterweise laminiere Kärtchen entsorgt. Gelber Sack oder Restmüll?

Höchst fraglich ist übrigens auch von Frau Life Science höchstselbst entwickeltes  Lehrprobenmaterial. In seiner Sperrigkeit und Absurdität kaum zu überbieten! Für den Unterricht eignet es sich bestimmt nicht, so viel ist sicher. Aber vielleicht fürs Museum? Wer weiß?

4. Erinnerungen
Du meine Güte, Erinnerungen. Vielleicht wird man sich später daran erfreuen, darum möchte man sie alle aufheben. Im Moment erfreut man sich aber nicht so sehr daran. Warum sollte das später anders sein?

 

Die Deutsche Bahn hilft Familie Life Science beim verspäteten Umzug
Bei der Durchsicht all dieser genannten Dinge, von Heimatwochenende zu Heimatwochenende, viele sind es ja nicht, erweist sich als brauchbare verspätete Umzugshilfe das Vorausschicken von Koffern mit der Deutschen Bahn. Für knapp 14 Euro transportiert diese in Kooperation mit Hermes einen übervollen Koffer quer durch Deutschland, zwei Tage später kommt er zuverlässig an der eignen Haustür an. Das Angebot gilt nur in Verbindung mit einer Bahn-Fahrkarte (die merkwürdigerweise niemals jemand sehen will). So günstig kriegt man jedenfalls sonst nirgends etwas privat verschickt.

Man kann den zu verschickenden Koffer (es muss ein Koffer oder eine Tasche sein, kein Paket oder so etwas) zuhause abholen lassen oder in einem beliebigen Hermes-Shop abgeben, nachdem man den Dienst online bestellt hat.

https://www.gepaeckservice-bahn.de/buchung.xhtml

In kleinen Städtchen E. in der Ortenau erfolgt die Abgabe von Hermes-Sendungen direkt an der Käse-Theke. Den Käseverkauf unterbricht sodann eine freundliche Angestellte (oder drei, weil Koffer nicht so häufig abgegeben werden und Herr Bührer auch nicht weiß, wie es geht).

Das ist so lustig mit der Koffer-Käsetheke, das könnte fast in New York sein. Wenn es dort eine Käsetheke gäbe (nicht im normalen Supermarkt).

Kaesetheke b